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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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zuckte zusammen, als der breitschultrige Komplize ihres Auftraggebers die Hand erneut hob. Beim ersten Versuch hatte sie blitzartig zurückgeschlagen und drei beeindruckende Treffer gelandet. Jetzt lief Blut aus ihrer Nase über das Kinn und tropfte auf ihr weißes T-Shirt. Unter dem nächsten Schlag verlor sie den Halt und fiel vom Stuhl. Ein Tritt in den Magen raubte ihr fast die Besinnung. Dann spürte sie, wie sie an den Armen emporgerissen und wieder auf den Stuhl gesetzt wurde.
    Sie war ihnen um ein Haar entkommen. Bei der Verfolgung durch die enge, mit Rollsplitt übersäte Straße, die nach Bagnoli superiore führte, hatte sie mit dem Motorrad nur wenig Vorteile. Unablässig sah Branka im Rückspiegel den Wagen näherkommen. Einer der Kerle hing aus dem Seitenfenster und schoß. Erst als der Fußweg ins Val Rosandra begann, war sie in Sicherheit. Drei Steinblöcke, die das Ende der Straße markierten, brachten die anderen mit einer Vollbremsung zum Stehen. Sie schossen, bis Branca aus dem Blickfeld verschwunden war. Eine Kugel hatte den Ärmel ihrer Lederjacke zerfetzt. Sie bemerkte es erst, als sie oben in Draga Sant’Elia das Motorrad aufbockte und sich den Staub von der Kluft klopfte.
    Sie hatte alles sorgfältig geplant und dennoch war es schiefgegangen. Niemand hatte mit dem Motorrad jemals den schwierigen Wanderweg durch das Tal befahren, undenkbar, daß ihr jemand folgen konnte. Spaziergänger machten schimpfend Platz, als Branka über die Geröllhalde beim Wasserfall jagte. Unten in Botazzo hatte tatsächlich einer versucht, ihr mit ausgebreiteten Armen den Weg zu versperren, und konnte sich nur durch einen beherzten Sprung zur Seite retten.
    Sie wußte, daß sie Mist gebaut hatte und hoffte nur, glimpflich davonzukommen. Vergeblich hatte sie die Jacke nach dem Mobiltelefon abgetastet. Es mußte ihr während der Flucht vor den Glatzköpfen aus der Innentasche der Jacke gefallen sein. Genauso wie die Dokumente und der Schein der Gepäckaufbewahrung im Triestiner Hauptbahnhof. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Branka mußte umgehend ihren Chef verständigen. Warum hatte er ausgerechnet sie damit beauftragt, das Geld gegen die Dokumente einzutauschen? »Die Kuh ist ausgemolken«, hatte der Boß am frühen Vormittag gesagt und Branka losgeschickt, weil er ihr eine Chance geben wollte. Zuvor hatte er noch großspurig davon geredet, daß sie dank ihrer Intelligenz für Größeres berufen sei, als nur die perfekten Taekwondo-Kenntnisse, die man von einer Frau kaum erwartete, bei schwierigen Missionen einzusetzen. Sie sollte noch einmal zeigen, daß sie es wert sei. Branka war wütend auf sich selbst. Nie zuvor hatte sie versagt.
    In Draga Sant’Elia, dem Weiler hoch über dem Val Rosandra und nur ein paar Meter von der Grenze entfernt, hatte sie mißmutig den Helm auf den Sattel gelegt und war zur Locanda Mario hinübergegangen, dem Restaurant, das für seine Gerichte aus Schnecken und Froschschenkeln berühmt war. Sie hatte ein Glas Weißwein bestellt und, nachdem sie es in einem Zug geleert hatte, gefragt, ob sie telefonieren dürfte. Die Stimme des Chefs war kalt gewesen und seine Anweisung knapp. Er erwartete sie in spätestens einer Stunde. Branka hatte noch ein Glas Wein bestellt, ein paar Münzen auf den Tresen geschnippt und kurz darauf wieder das Motorrad gestartet. Staubig und nervös hatte sie schließlich das Büro des Chefs betreten und sich zur Begrüßung den ersten Schlag ins Gesicht eingehandelt. Und jetzt wurde sie abgestraft wie eine Anfängerin.
    »Nochmal von vorne. Red endlich«, brüllte der Boß. Er zündete sich eine Zigarette an und ging zurück zu einem Sessel in der anderen Ecke des Büros. Sein Leibwächter blieb neben dem Stuhl stehen, auf dem Branka saß, mit schmerzverzerrtem Gesicht und am ganzen Leib zitternd.
    »Es war der Bus. Er hat genau da gehalten, wo die Mappe lag. Und dann kamen die Carabinieri. Ich schaffte es gerade noch aufs Motorrad. Die Skins verfolgten mich bis nach Bagnoli superiore. Erst wo der Wanderweg beginnt, konnte ich sie abhängen. Hätte ich mich abknallen lassen sollen?«
    »Wo sind diese verdammten Dokumente?«
    »Ich weiß es wirklich nicht. Aber die Schweine haben sie auf gar keinen Fall.« Branka verspürte einen Funken Hoffnung. »Sie hatten keine Zeit. Was glaubst du denn, weshalb sie mich verfolgt haben?« Vom Verlust ihres Mobiltelefons sprach sie besser nicht. Der fehlende Chip mit den gespeicherten Telefonnummern hätte die Sache nur

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