Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
netter Bursche, den die Nachbarn mochten, ein liebender Vater von zwei Kindern, der dem Hobby frönte, Menschen zu schlachten. Das hat ihm richtig Spaß gemacht. Die jungen Frauen, die er gefoltert und ermordet hat, haben das sicher ein bisschen anders gesehen.
Wir waren diesem Irren so dicht auf den Fersen, dass er schon unseren Atem im Nacken gespürt haben muss, als er meine Welt zum Einsturz brachte. Eines Nachts verschaffte er sich Zugang in mein Haus, und mit nichts weiter als einem Seil und einem Jagdmesser ließ er das leuchtende Universum, wie ich es kannte, in ewiger Dunkelheit versinken. Er tötete Matt, meinen Mann, vor meinen Augen. Er vergewaltigte mich. Entstellte mich. Er benutzte meine Tochter Alexa als menschlichen Schild, der die erste Kugel auffing, die ich auf ihn abfeuerte.
Aber nicht die zweite, und auch nicht die weiteren. Ich pumpte mein ganzes Magazin in ihn, lud nach und jagte ihm auch dieses Magazin in den Balg. Danach kämpfte ich sechs Monate um die Entscheidung, ob ich weiterleben oder mir das Hirn aus dem Kopf pusten sollte.
Dann wurde Annie ermordet, und Bonnie war da, und irgendwann mittendrin bekam das Leben mich wieder in den Griff.
Die meisten Menschen können sich nicht vorstellen, wie es ist, an einem Ort zu sein, wo der Tod dem Leben vorzuziehen ist. Das Leben ist stark. Es hält einen auf verschiedenste Weise fest,mit dem Pochen des Herzens, mit der Sonne auf dem Gesicht und mit dem Gefühl des Bodens unter den Füßen. Es packt dich und hält dich entschlossen fest. Bei mir aber war der Griff des Lebens schwächlich, dünn wie ein Faden. Ein seidener Spinnenfaden, an dem ich scheinbar endlos über einem Abgrund hing. Dann waren es zwei Fäden. Dann fünf. Dann ein Seil. Der Abgrund wich unter mir zurück, und an irgendeinem Punkt erkannte ich, dass das Leben mich wieder fest im Griff hielt – und ich fing wieder an, mir etwas aus dem Leben zu machen. Der Abgrund war verschwunden, einem Horizont gewichen.
»Es wird Zeit, dieses Haus wieder zu einem richtigen Heim zu machen, Schatz. Verstehst du?«
Bonnie nickt. Ich kann sehen, dass sie mich in jeder Beziehung versteht.
»Und jetzt kommt etwas, das dir bestimmt gefällt.« Ich streichle ihr die Wange. »Tante Callie hat sich ein paar Tage freigenommen. Sie kommt her und hilft uns.« Meine Worte rufen ein Lächeln reinster Freude hervor. »Elaina kommt auch vorbei. Freust du dich?«
Sie nickt. Und wie!
Wir frühstücken weiter. Nach einiger Zeit träume ich vor mich hin, als mir plötzlich bewusst wird, dass Bonnie mich aufmerksam betrachtet, mit schief gelegtem Kopf. Auf ihrem Gesicht ist ein fragender Ausdruck.
»Du fragst dich, warum sie herkommen?«
Bonnie nickt.
»Weil …« Ich seufze. »Weil ich es alleine nicht schaffe.«
Ich bin felsenfest entschlossen, wieder voranzuschreiten. Doch ich habe auch ein bisschen Angst davor. Ich habe so viel Zeit damit verbracht, mich gehen zu lassen, dass ich misstrauisch bin gegenüber meinem jüngsten Anfall innerer Festigkeit. Ich möchte Freunde um mich haben, die mich stützen, falls ich wieder wacklig werde.
Bonnie steht von ihrem Stuhl auf und kommt zu mir. Ichspüre so viel Zärtlichkeit in diesem Kind. So viel Güte. Wenn meine Träume das Gesicht des Todes offenbaren, dann offenbart Bonnie das Gesicht der Liebe. Sie streckt die Hand aus, berührt ganz sanft das Narbengewebe, das die linke Seite meines Gesichts verunstaltet. Zerbrochene Scherben. Ich bin der Spiegel.
Mein Herz füllt und leert sich, füllt und leert sich.
»Ich hab dich auch lieb, mein Schatz.«
Eine rasche Umarmung, dann zurück zum Frühstück. Wir essen zu Ende, und ich seufze zufrieden. Bonnie rülpst, laut und heftig. Schockierte Stille – und dann brechen wir beide in Gelächter aus, bis uns die Tränen über die Wangen kullern und wir nur noch kichern können.
»Möchtest du dir Zeichentrickfilme ansehen, Zwerg?«, frage ich, als wir wieder zu Atem gekommen sind.
Ein strahlendes Lächeln, wie die Sonne über einem Feld voller Blumen.
Mir wird bewusst, dass dies der beste Tag ist, den ich seit einem ganzen Jahr gehabt habe. Der allerallerbeste.
KAPITEL 2
Bonnie und ich gehen durch die Glendale Galeria – die Mall aller Malls –, und der Tag ist sogar noch besser geworden. Wir sind in einem Sam Goody’s gewesen und haben uns die Auswahl an Musik angesehen. Ich habe mir ein CD-Set gekauft, Best of the 80’s, und Bonnie hat die neueste CD von Jewel bekommen. Ihr derzeitiges
Weitere Kostenlose Bücher