Der Tote im Kofferraum
Mann... Aber schließlich hatte sie schon gehört, daß Mörder oft aufgeschlossen und freundliche Leute sind. Immerhin hatte er sie als vollkommen Fremde in sein Zeltlager eingeladen. Und warum war sie, die Fremde, mitgegangen? fragte sie sich verwirrt. Es hatte immerhin sehr, sehr lange gedauert, den Fisch zu holen und ins Auto zu legen, und außerdem war er der einzige Mensch, der ihrem Auto so nahe gekommen war, der einzige, der den Toten in ihrem Kofferraum versteckt haben konnte. Delia erschauerte und dachte voller Bitterkeit: Du hattest doch gleich das Gefühl, daß mit ihm etwas nicht stimmt, und hast gefürchtet, er könnte verheiratet sein. Nun, wenn er auch nicht verheiratet ist, so scheint er immerhin ein Mörder zu sein. Bist wieder einmal ein ausgemachter Glückspilz.
Sie fuhren nach Lakelands zur Polizeiwache, wo Delia sich an diesem Morgen nach dem Weg erkundigt hatte. Es schien ihr, als wäre in der Zwischenzeit eine Ewigkeit vergangen. Sie folgte dem Konstabler in ein kleines Büro und freute sich, denselben netten Polizeibeamten wiederzusehen, der ihr den Weg nach Greenvale erklärt hatte. Er sah freundlich und verständnisvoll aus, und sein Adamsapfel war nicht zu sehen, stellte Delia, die auch in kritischen Augenblicken auf solche Kleinigkeiten achtete, mit Erleichterung fest.
Das Mobiliar des kleinen Büros bestand aus einem wuchtigen Schreibtisch und zwei harten Stühlen. Sie nahm auf dem einen Stuhl Platz und wartete. Dabei war sie froh, daß ihre Hände nicht mehr zitterten und daß auch die Gefahr, ohnmächtig zu werden oder einen hysterischen Anfall zu bekommen, vorüber war. Vom Gang her hörte sie leise hastige Stimmen — und dann von draußen das Motorengeräusch ihres Wagens, der langsam vorgefahren wurde. Was Clive wohl sagen würde, wenn er wüßte, was im Kofferraum seiner alten schäbigen Karre liegt? dachte sie.
Sergeant Cave, der sie eine ganze Weile allein gelassen hatte, kam jetzt mit ernster Miene zurück. »Das war schlimm für Sie, Miss«, sagte er ruhig. »Trotzdem muß ich Ihnen einige Fragen stellen.«
Er verhörte Delia, die auf alle Fragen zügig antwortete, Namen, Alter, Adresse und Beruf angab und von ihrer neuen Stelle als Gesellschafterin für Mrs. Warwick-Smith sprach. Plötzlich fühlte sie ihr Herz unruhig klopfen. Das war die Untersuchung eines Mordfalles. So etwas kannte sie bisher nur aus der Zeitung und aus Kriminalromanen. Und in ihrem Besitz hatte man den Toten gefunden. Besitz? Delia beschloß, sich besser zusammenzunehmen; denn jetzt war keine Zeit für kleinliche Wortspaltereien.
Der Sergeant notierte Delias Aussage sorgfältig. »Also, Miss Hunt, jetzt grübeln Sie nicht zuviel über die Geschichte nach«, ermunterte er sie vorsichtig. »Es war schlimm für Sie, und Sie haben einen Schock erlitten. Aber eine junge Dame wie Sie kann kaum einen Mann getötet und ihn in den Kofferraum gehievt haben, auch wenn er so klein war wie Mr...« Plötzlich brach er ab und sah sie fragend an. Delia wurde angst und bange. Ob er wohl annahm, daß sie etwas über den Mord wüßte?«
Der Sergeant warf einen Blick auf die Notizen. »Sie sagten, daß Sie zu Mrs. Warwick-Smith unterwegs waren, als Gesellschafterin, nicht wahr? Aber Sie haben die Dame noch nie gesehen?«
»Nein. Ich habe mit einem gewissen Dr. Shaw verhandelt. Er scheint ein Freund der Familie zu sein.«
Der Sergeant nickte. »Ja. Wir kennen den Doktor. Er kommt öfter zum Angeln her, und um die Warwick-Smith zu besuchen. Sie haben von den Warwick-Smith also keinen gesehen?«
»Nein, das habe ich doch bereits gesagt. Warum? Ist das denn wichtig?«
Sergeant Cave wurde noch ernster. »Ja«, bestätigte er, »es ist tatsächlich wichtig.«
Er schwieg einen Moment lang, und Delia fragte: »Könnte ich sie wenigstens anrufen? Die Warwick-Smith, meine ich. Sie erwarten mich zum Mittagessen. Mr. Warwick-Smith muß wegfahren und...«
Er blickte sie so seltsam an, daß sie schnell fragte: »Was ist los? Sie verheimlichen mir etwas.«
Er nickte mit dem Kopf. »Ja, Miss Hunt. Ich würde Mrs. Warwick-Smith jetzt nicht anrufen. Es ist nicht nötig. Ich werde sofort zu ihr hinausfahren, und ich möchte, daß Sie mitkommen, weil...« Wieder zögerte er, dann fuhr er freundlich und fast entschuldigend fort: »Der Tote in Ihrem Auto ist Mr. Warwick-Smith. Ich werde Ihre Hilfe brauchen, wenn ich die Nachricht überbringe.«
Delia saß wie versteinert da und starrte den Sergeanten verständnislos an. »Mr.
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