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Der Unbesiegbare

Der Unbesiegbare

Titel: Der Unbesiegbare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ist im Laufe von Jahrmillionen eigentlicher Teil der Naturgewalten des Planeten geworden. Das Lebenist im Ozean geblieben, weil die ›Maschinenevolution‹ dort nicht hinreicht und andererseits diesen Lebensformen den Zutritt zum Festland verwehrt. So sind der mäßige Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre – er wird von den Meeresalgen ausgeschieden – und die Oberflächengestaltung der Kontinente zu erklären. Der Planet ist eine Wüste, da diese Systeme nichts aufbauen, da sie keine Zivilisation haben, keinerlei Werte schaffen, da sie nichts haben als sich selbst. Deshalb sollten wir sie als Naturgewalt betrachten. Auch die Natur bringt weder Bewertungen noch Werte hervor. Diese Gebilde ruhen einfach in sich, sie existieren und verhalten sich so, wie sie sich verhalten, um weiterzuexistieren …«
    »Wie erklären Sie sich die Vernichtung der Flugzeuge? Sie waren doch im Schutz des Kraftfeldes.«
    »Ein Kraftfeld kann durch ein anderes Kraftfeld zermalmt werden. Im übrigen – wenn man im Bruchteil einer Sekunde das gesamte im Hirn eines Menschen enthaltene Gedächtnis auslöschen will, so muß man in diesem Moment rings um seinen Kopf ein so starkes Magnetfeld erzeugen, Astrogator, wie es selbst uns mit den Mitteln, über die wir hier an Bord verfügen, schwerfallen würde. Dafür wären gigantische Umspanner, Transformatoren und Elektromagnete erforderlich.«
    »Und Sie meinen, daß die all das haben?«
    »Aber nein! Sie haben überhaupt nichts. Sie sind ganz einfach Bausteine, aus denen jeweils das entsteht, was gerade notwendig ist. Trifft das Signal ›Gefahr‹ ein, so heißt das: Da ist etwas aufgetaucht. Sie nehmen es durch Veränderungen wahr, die eintreten, zum Beispiel durch die Veränderung des elektrostatischen Feldes. Und gleich setzt sich der fliegende Schwarm zu diesem ›Wolkenhirn‹ zusammen, und sein kollektives Gedächtnis erwacht: Aha, solche Wesen waren schon mal da, man verfuhr mit ihnenso und so und vernichtete sie … Und sie wiederholen ihr Verhalten von damals.«
    »Gut«, sagte Horpach, der eine geraume Weile dem alten Biologen nicht mehr zugehört hatte. »Ich verschiebe den Start. Wir berufen jetzt eine Versammlung ein, obwohl ich das lieber nicht täte, weil es wieder auf einen Riesendisput hinausläuft. Die Wissenschaftler werden sich ereifern, aber ich weiß mir keinen anderen Rat. In einer halben Stunde in der Hauptbibliothek, Dr. Lauda.«
    »Sollten sie mich überzeugen, daß ich mich irre, dann wird es einen wahrhaft zufriedenen Menschen mehr an Bord geben«, sagte Dr. Lauda ruhig und verließ die Kajüte so leise, wie er gekommen war. Horpach richtete sich auf, trat an den Wandinformator, drückte die Taste der Innenlautsprecheranlage und rief alle Wissenschaftler zusammen.
    Wie sich herausstellte, hegten die meisten Spezialisten ähnliche Vermutungen wie Lauda; er war nur der erste gewesen, der sie so bestimmt ausgesprochen hatte. Meinungsverschiedenheiten entbrannten lediglich um das Problem, ob die »Wolke« psychisch oder apsychisch sei. Die Kybernetiker neigten zu der Ansicht, sie sei ein denkendes System mit der Fähigkeit, strategisch vorzugehen. Lauda wurde scharf angegriffen; Horpach war sich bewußt, daß die Ursache dieser leidenschaftlichen Kontroversen weniger in Laudas Hypothese zu suchen war als vielmehr darin, daß er sie zuerst mit dem Kommandanten statt mit seinen Kollegen durchgesprochen hatte. Trotz aller Bindungen zur Besatzung bildeten die Wissenschaftler an Bord eine Art »Staat im Staate« und richteten sich nach einem gewissen ungeschriebenen Verhaltenskodex.
    Chefkybernetiker Kronotos fragte Lauda, wie die »Wolke« wohl gelernt haben sollte, Menschen anzugreifen, obwohl sie keinen Intellekt habe.
    »Ganz einfach«, antwortete der Biologe. »Sie hat Jahrmillionen hindurch nichts anderes getan. Ich denke an den Kampf gegen die urtümlichen Bewohner der Regis. Das waren Tiere mit zentralem Nervensystem. Sie hat gelernt, sie genauso anzugreifen, wie ein Erdeninsekt sein Opfer angreift, und tut das mit derselben Präzision, mit der eine Wespe ihr Gift in die Nervenstränge eines Heupferdchens oder eines Maikäfers spritzt. Das ist kein Intellekt, das ist Instinkt.«
    »Aber woher wußten sie, wie Flugzeuge anzugreifen sind? Mit Flugzeugen war sie doch vorher nicht in Berührung gekommen.«
    »Das können wir nicht wissen, Herr Kollege. Sie kämpfte, wie ich Ihnen schon gesagt habe, an zwei Fronten. Gegen die lebenden Bewohner der Regis und gegen die

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