Der Unbesiegbare
auf den Beinen. Er kam sich plötzlich lächerlich vor mit dem Weyr-Werfer, den er dem Toten so eilfertig abgenommen hatte, mehr noch, er fühlte sich überflüssig in diesem Reich des vollendeten Todes, in dem nur tote Formen siegreich hatten überdauern können, um geheimnisvolle Vorgänge zu vollziehen, die nie ein lebendes Wesen erblicken sollte. Nicht entsetzt, sondern benommen und voller Bewunderung hatte er das miterlebt, was kurz zuvor geschehen war. Er wußte, daß kein Wissenschaftler fähig sein würde, seine Empfindungen zu teilen, aber er wollte jetzt nicht mehr nur zurückkehren, um Kunde vom Tode ihrer Gefährten zu bringen, sondern um zu fordern, daß der Planet unangetastet blieb. Nicht überall ist alles für uns bestimmt, dachte er, als er gemächlich abwärts stieg. Der Himmel war noch licht, und er gelangte bald auf den Kampfplatz. Dort erst mußte er sich beeilen, weil die Strahlung der glasigen Felsen, die in der sinkenden Dämmerung wie schaurige Silhouetten vorbeihuschten, immer stärker wurde. Schließlich lief er sogar. Die Felswände griffen den Widerhall seiner Schritte auf und gaben ihn weiter, und in diesem unaufhörlichen Echo, das seine Hast ins Riesenhafte steigerte, sprang er mit letzter Kraftanstrengung von Stein zu Stein, kam an bis zur Unkenntlichkeit zerschmolzenen Maschinenresten vorbei und erreichte einen gewundenen Abhang, aber auch hier glühte die Skala des Strahlungsmessers rubinrot.
Er durfte nicht stehenbleiben, obwohl er Atembeschwerden hatte, und so drehte er, fast ohne langsamer zu werden, den Reduktor der Flasche bis zum Anschlag auf. Selbst wenn der Sauerstoff am Ende der Schlucht verbraucht sein sollte und er die Luft des Planeten würde atmen müssen, so war das gewiß immer noch besser, als länger hier zu verweilen, wo jeder Quadratzentimeter des Gesteins tödliche Strahlen von sich schleuderte. Der Sauerstoff schlug ihm in einer kalten Welle in den Mund. Es lief sich gut, weil die Oberfläche des erstarrten Lavastroms, den der zurückweichende Zyklop auf der Strecke seiner Niederlage hinterlassen hatte, glatt war, stellenweise wie Glas. Zum Glück hatte er gut haftende Profilsohlen an den Schuhen, er rutschte also nicht. Inzwischen war es so dunkel geworden, daß nur die hier und da unter der glasigen Schicht hervorschimmernden, hellen Steine den Weg nach unten zeigten. Unaufhörlich nach unten. Er wußte, daß er wenigstens noch drei Kilometer solcher Wegstrecke vor sich hatte. Es war unmöglich, bei dieser wilden Jagd Berechnungen anzustellen, aber dann und wann warf er doch einen Blick auf die rot pulsierende Scheibe des Strahlungsmessers. Etwa eine Stunde durfte er sich noch hier aufhalten zwischen den von der Annihilation verbogenen und geborstenen Felsen, dann würde die Dosis zweihundert Röntgen nicht überschreiten. Fünf Viertelstunden mochten auch noch angehen, aber wenn er dann nicht den Rand der Wüste erreicht hatte, brauchte er sich nicht mehr zu beeilen.
Nach ungefähr zwanzig Minuten trat die Krise ein. Er empfand das Herz als ein grausames, unüberwindliches Etwas, das ihm von innen die Brust auseinanderstieß und wieder zusammenpreßte, der Sauerstoff brannte in Mund und Kehle wie lebendiges Feuer, Fünkchen tanzten ihm vor den Augen, das schlimmste aber war, daß er jetzt immer öfter stolperte. Die Strahlung war zwar etwas geringer geworden,der Indikator glomm in der Finsternis schwach wie ein verlöschendes Kohlestückchen, aber er wußte, daß er trotzdem laufen mußte, immer weiterlaufen, und die Beine versagten ihm bereits den Dienst. Jede Faser seines Körpers hatte genug, alles in ihm schrie, anzuhalten, sich auf die scheinbar kühlen, unschädlichen gesprungenen Glasplatten zu werfen. Als er zu den Sternen aufschauen wollte, strauchelte er und stürzte nach vorn auf die ausgestreckten Hände. Schluchzend schnappte er nach Luft. Er rappelte sich hoch, stand auf, lief taumelnd ein paar Schritte weiter, dann kehrte der Rhythmus zurück und trug ihn mit sich fort. Er hatte bereits jedes Zeitgefühl verloren. Wie fand er sich überhaupt in diesem dumpfen Schwarz zurecht? Er hatte alle Toten vergessen, das knöcherne Lächeln Benningsens, den unter den Steinen neben dem zertrümmerten Arctan ruhenden Regnar, den Mann ohne Kopf, den er nicht hatte identifizieren können, ja er hatte sogar die Wolke vergessen. Er war ganz und gar zusammengekrümmt von dieser Finsternis, sie hatte ihm das Blut in die Augen getrieben, mit denen er vergebens
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