Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
rechten Arm als amputiert betrachten könne. Alle Tätigkeiten
— essen, in Büchern und Zeitschriften blättern, in der Nase bohren — mussten mit links erledigt werden. Das sei keine Kunst, erklärte Whitefoot, sie hätten schließlich mehr Zeit als in fucking hell.
Reinhart war dankbar, wie gesagt. Las weiter im Buch von Ellroy, schlief, aß und hörte Musik, und um 22.30 Uhr, Ortszeit, landeten sie in Sechshafen in einem nebligen Europa. Whitefoot verabschiedete sich. Checkte für eine Nacht im Flughafenhotel ein, überließ Clausen Reinharts, Rooths, Morenos und Jungs Obhut und wünschte fröhliche Weihnachten.
»Drei Stück?«, fragte Reinhart. »Verdammt, ihr hättet doch nicht alle zu kommen brauchen.«
»DeBries und Bollmert warten im Wagen«, sagte Moreno.
Es war noch ein Tag bis zum Heiligen Abend.
39
Reinhart hatte weder eine Besprechung noch sonst irgendwas anberaumt.
Trotzdem fand sich am folgenden Tag, am Donnerstag, dem 24. Dezember, das Quartett um zehn Uhr in seinem Zimmer ein. Es war der Vormittag des Heiligen Abends. Moreno und Jung saßen auf der Fensterbank und versuchten nicht den Regen anzustarren, der in den frühen Morgenstunden eingesetzt und alle Träume von einem weißen Wochenende bereits weggespült hatte. Es war grau, nass und windig, die Stadt hatte ihre Grundstimmung wiedergefunden.
Ein wenig weiter vom Regen entfernt hing Reinhart hinter seinem Schreibtisch, deBries und Rooth waren neben dem ramponierten Christstern, mit dem irgendwer (vermutlich Frau Katz auf persönlichen Befehl des Polizeipräsidenten) das Zimmer geschmückt hatte, in den Besuchersesseln versunken.
»Das hätten wir dann«, stellte deBries fest. »Sehr gutes Timing, muss man sagen.«
Reinhart steckte sich die Pfeife an und hüllte Blume und deBries in Rauch.
»Doch«, sagte er. »Muss man.«
»Wann kommt er?«, fragte Jung.
Moreno schaute auf die Uhr.
»Irgendwann am Vormittag«, sagte sie. »Er wollte sich nicht genauer festlegen. Wir müssen ihm vielleicht einen gewissen Spielraum lassen, wenn man daran denkt ... ja, wenn man an alles Mögliche denkt.«
Reinhart nickte und setzte sich ein wenig gerader.
»Wir haben diesmal ungewöhnlich wenig Grund zur Überheblichkeit«, sagte er und ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. »Und wo wir schon hier sitzen, könnten wir die Sache vielleicht noch einmal kurz zusammenfassen ... solange es noch nicht so weit ist, meine ich.«
»Solange es noch nicht so weit ist«, wiederholte Rooth. »Ach, ach.«
»Der Mord am Sohn des Kommissars hat den Anfang für diesen Fall bedeutet«, sagte Reinhart, »und zur Lösung hat vor allem der Kommissar beigetragen. Das lässt sich nicht leugnen. Er hat das Erpressungsmotiv gefunden, hat uns den Namen Keller geliefert und den Verdacht entwickelt, dass sich in Wirklichkeit Clausen nach New York abgesetzt hat. Fragt mich nicht, wie zum Teufel das möglich ist, aber er behauptet, die Erkenntnis sei ihm beim Schachspielen gekommen. . .«
»Ist Keller schon gefunden worden?«, fragte deBries.
Reinhart nickte.
»Le Houde und seine Leute haben ihn heute Morgen ausgebuddelt. Clausen brauchte nicht mitzukommen, seine Beschreibung und eine Landkarte haben gereicht. Wird wohl eine winzige Trauergemeinde, wenn er wieder unter die Erde kommt. Niemand scheint Aron Keller zu betrauern, das wissen die Götter.«
»Wundert’s dich«, sagte Moreno.
»Und der Doktor? Wie steht’s denn mit dem Mörder?«, fragte Rooth. »Putzmunter?«
Reinhart rauchte schweigend eine Weile weiter.
»Weiß nicht so recht«, sagte er dann. »Ich glaube nicht, dass er noch lange durchhält. Und wie diese Begegnung auf ihn ... nein, ich habe keine Ahnung. Ich habe übrigens versprochen, dass sie allein sein werden. Ich hoffe, das geht jetzt nicht alles zum Teufel.«
Das Telefon klingelte. Es war Joensuu, der unten Dienst hatte.
»Er ist jetzt hier«, erklärte er feierlich. »Der Kommissar ist hier.«
Es hörte sich so an, als habe er dabei salutiert.
»Alles klar«, sagte Reinhart. »Krause soll mit ihm in den Arrest gehen. Ich komme in einer Minute nach.«
Er legte auf und schaute sich um.
»All right«, sagte er und erhob sich. »Kriminalkommissar Van Veeteren ist soeben eingetroffen, um den Mörder seines Sohnes zu verhören. Worauf zum Teufel wartet ihr noch?«
Die Zelle war blassgrün und viereckig. Sie war einfach möbliert; ein Tisch mit zwei Stahlrohrstühlen, zwei weitere Stühle vor einer Wand. Keine Fenster, an
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