Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
der Decke eine Leuchtröhre, die jeden Quadratzentimeter in klinisches, demokratisches Licht tunkte.
Kein Aschenbecher auf dem Tisch. Nur ein Wasserkrug und ein Stapel Plastikbecher.
Clausen war schon zur Stelle, als Van Veeteren hereinkam. Saß am Tisch, hatte die Hände gefaltet und den Blick gesenkt. Schlichtes weißes Hemd, dunkle Hose. Er saß seit mehreren Minuten bewegungslos da, der Kommissar hatte ihn durch das Guckloch betrachtet und dann Krause und Reinhart bedeutet, ihm die Tür zu öffnen.
Er zog einen Stuhl vom Tisch und nahm Platz. Clausen hob nicht den Blick, aber Van Veeteren konnte sehen, wie die Muskeln
an seinem Hals und in seinem Kiefer sich anspannten. Er wartete. Faltete die Hände ebenso wie der Mörder seines Sohnes und beugte sich ein wenig über den Tisch vor.
»Weißt du, wer ich bin?«, fragte er.
Dr. Clausen schluckte, gab jedoch keine Antwort. Van Veeteren sah, dass seine Fingerknöchel weiß wurden und dass sein Kopf zitterte. Ein leises Beben, wie es vor einem Sturm das Laub durchfährt. Er hob noch immer nicht den Blick.
»Hast du mir nichts zu sagen?«
Keine Antwort. Er merkte, wie Clausen den Atem anhielt.
»Ich bin in einer Stunde mit Elizabeth Felders verabredet«, erklärte Van Veeteren. »Mit der Mutter von Wim, den du ebenfalls umgebracht hast. Soll ich ihr etwas ausrichten?«
Er wartete. Ich bin froh, dass ich keine Waffe habe, dachte er.
Endlich holte Clausen tief Luft und schaute auf. Erwiderte den Blick des Kommissars mit Augen, die offenbar nur zu gern in seinem Kopf versunken wären.
»Du musst wissen«, begann er, aber seine Stimme gehorchte ihm nicht. Er hustete zweimal und ließ seinen Blick herumflackern. Machte noch einen Versuch.
»Du musst wissen, dass ich noch vor zwei Monaten ein normaler Mensch war ... ein ganz normaler Mensch, das möchte ich nur betonen. Ich werde mich umbringen, sowie sich eine Gelegenheit dazu bietet. Sobald sich eine Gelegenheit ... bietet.«
Er verstummte. Van Veeteren blickte fünf Sekunden lang in diese toten Augen. Spürte, dass in ihm plötzlich etwas geschah. Wie seine Wahrnehmung der Zelle kleiner wurde und wie er langsam aber sicher in etwas Dunkles, Wirbelndes, etwas Saugendes und ... Unwiderrufliches hinabgezogen wurde. Er kniff die Augen zusammen und ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken.
»Viel Glück«, sagte er. »Warte nicht zu lange, denn sonst komme ich zurück und erinnere dich daran.«
Er blieb noch einige Minuten sitzen. Clausen starrte seine Hände an und zitterte noch immer. Das Ventilationssystem rauschte. In der Leuchtröhre knackte es einige Male. Ansonsten passierte nichts.
Dann erhob Van Veeteren sich. Gab durch das Guckloch ein Zeichen und verließ die Zelle.
Er wechselte weder mit Reinhart noch mit irgendeinem anderen ein Wort. Er ging auf geradem Weg durch die Eingangshalle, öffnete seinen Regenschirm und wanderte in die Stadt hinaus.
Die Originalausgabe erschien 1999
unter dem Titel »Carambole«
bei Albert Bonniers Förlag, Stockholm
Deutsche Erstveröffentlichung Dezember 2001
Copyright © 1999 by Häkan Nesser
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2001
by Wilhelm Goldmann Verlag in der Verlagsgruppe
Random House, München
Umschlaggestaltung: Design Team München
Umschlagfoto: photonica/Holmberg
Satz: Filmsatz Schröter GmbH, München
RK · Herstellung: Augustin Wiesbeck
eISBN 978-3-641-09050-0
www.btb-verlag.de
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