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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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vierzehn Tagen in mein Büro und erklärte, dass sie verreisen müsse. Zeitungen, Freunde, Verwandte brächten sie zur Verzweiflung mit ihren Fragen.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Sylvia trocken.
    »Aber wir sind misstrauisch – das gehört zu unserem Metier. So ließen wir sie beobachten. Nun, kürzlich hat sie England verlassen, um nach Casablanca zu fliegen.«
    »Nach Casablanca?«, wiederholte Sylvia erstaunt.
    »Genau. Aber die Reise nahm für Mrs Betterton ein unerwartetes Ende.«
    Sylvia zuckte die Achseln.
    »Was habe denn ich damit zu tun?«
    »Sie werden damit zu tun haben, weil Sie wundervolles rotes Haar besitzen, Mrs Craven.«
    »Was soll denn das nun wieder heißen?«
    Jessop lächelte.
    »Das hervorstechendste Kennzeichen an Mrs Betterton ist ihr Haar. Sie haben vielleicht gehört, dass ihr Flugzeug abgestürzt ist.«
    »Ja. Ich hatte ursprünglich auch dieses Flugzeug nehmen wollen. Der Nebel hat es verhindert.«
    »Nun, Mrs Betterton war in diesem Flugzeug. Sie wurde zwar noch lebend geborgen, liegt aber schwer verletzt im Krankenhaus. Laut Aussage des Arztes wird sie morgen Früh nicht mehr am Leben sein.«
    In Sylvias Augen dämmerte langsam ein Schimmer von Verständnis auf.
    »Vielleicht begreifen Sie nun die Art des Selbstmordes, die ich Ihnen anbiete«, sagte Jessop. »Sie sollen als Sylvia Craven sterben und als Mrs Olivia Betterton auferstehen.«
    »Aber das geht doch nicht«, stammelte Sylvia, »das würde man doch sofort merken.«
    »Das kommt ganz auf Sie an«, erwiderte Jessop. »Bei dem Unglück hat keiner auf den andern Acht gegeben. Die meisten Mitreisenden sind tot, die anderen, falls sie am Leben bleiben, werden so rasch wie möglich heimkehren. Wenn Olivia Betterton tot ist, wird niemand darauf achten, wer als Leiche aus dem Krankenhaus geschafft wird. Und die Passbeschreibung Mrs Bettertons deckt sich mit der Ihrigen.«
    »Aber die hiesigen Behörden – «
    Jessop lächelte abermals.
    »Das macht keine Schwierigkeiten. Die Franzosen sind selbst an der Sache interessiert, denn sie haben in letzter Zeit wertvolle Leute verloren. Sie werden mit uns zusammenarbeiten. Also, Mrs Craven wird beerdigt, und Mrs Betterton verlässt genesen die Klinik.«
    »Aber das ist doch Wahnsinn!«
    »Gewiss«, pflichtete Jessop ihr bei, »es handelt sich um einen sehr schwierigen Auftrag, und wenn ich Sie richtig beurteile, so werden Sie ihn gerade deshalb übernehmen. Das wäre doch entschieden amüsanter als ein Sturz aus dem Fenster oder dergleichen.«
    Plötzlich lachte Sylvia ganz unerwartet auf.
    »Ich glaube, Sie haben Recht!«
    »So wollen Sie den Auftrag übernehmen?«
    »Gewiss, warum nicht?«
    »Dann dürfen wir keine Sekunde mehr verlieren«, schloss Jessop und stand schnell auf.

4
     
    I m Krankenhaus war es nicht eigentlich kalt, doch lag eine frostige Atmosphäre über den einsamen Gängen, die mit dem Geruch der Desinfektionsmittel und Medikamente erfüllt waren. Sylvia Craven saß an einem Krankenbett. In diesem Bett lag die verunglückte Olivia Betterton mit dick einbandagiertem Kopf.
    »Es kann nicht mehr lange dauern«, sagte der Arzt zu Jessop, der sich im Hintergrund des Zimmers hielt.
    »Wird sie ihr Bewusstsein noch einmal wiedererlangen?«, fragte dieser gespannt.
    Der Franzose zuckte die Achseln.
    »Möglich wäre es, vielleicht im allerletzten Augenblick nochmal.«
    Er ging und nahm die Pflegerin mit sich. An Stelle der Letzteren setzte sich eine Nonne mit ihrem Rosenkranz ans Kopfende des Bettes. Sylvia schlich sich auf ein Zeichen Jessops leise zu ihm hinüber.
    »Haben Sie gehört?«, flüsterte er, »Sie müssen versuchen, irgendetwas, ein Kennwort, eine Botschaft oder sonst irgendetwas zu erfahren.«
    »Es erscheint mir wie Verrat an einer Sterbenden«, sagte Sylvia zögernd, »ich tue es sehr ungern. Macht es Ihnen denn gar nichts aus?«
    »Nein. Es ist meine Pflicht. Aber Sie können frei handeln. Wenn Ihnen die Sache widerstrebt, so verzichten Sie darauf.«
    »Nur eins möchte ich noch wissen. Muss man ihr sagen, dass sie im Sterben liegt?«
    »Das will ich mir noch überlegen.«
    Sylvia nahm ihren Platz am Bett wieder ein. Minute um Minute verrann. Ungefähr zwei Stunden später hörte die Nonne zu beten auf und sagte:
    »Ich glaube, Madame, es geht zu Ende. Ich hole den Arzt.«
    Die Lider der Sterbenden zuckten ein paar Mal, und die Augen öffneten sich. Sie blickten teilnahmslos auf Sylvia. Dann kam so etwas wie Staunen in ihren Ausdruck.
    »Wo…«,

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