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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
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Soweit dies Verwandtschaftssystem verbreitet gewesen, genau soweit, mindestens, muß auch die Punaluafamilie oder eine ihr ähnliche Form bestanden haben.
    Diese in Hawaii wirklich als bestehend nachgewiesene Familienform würde uns wahrscheinlich aus ganz Polynesien überliefert sein, hätten die frommen Missionare, wie weiland die spanischen Mönche in Amerika, in solchen widerchristlichen Verhältnissen etwas mehr zu sehen vermocht, als den simplen »Greuel«. [Fußnote: Die Spuren unterschiedslosen Geschlechtsverkehrs, seiner s. g. »Sumpfzeugung«, die Bachofen gefunden zu haben meint, führen sich, wie jetzt nicht mehr bezweifelt werden kann, auf die Gruppenehe zurück. »Wenn Bachofen diese Punalua-Ehen »gesetzlos« findet, so fände ein Mann aus jener Periode die meisten jetzigen Ehen zwischen nahen und entfernten Vettern väterlicher oder mütterlicher Seite blutschänderisch, nämlich als Ehen zwischen blutsverwandten Geschwistern.« (Marx.)] Wenn uns Cäsar von den Briten, die sich damals auf der Mittelstufe der Barbarei befanden, erzählt: »sie haben ihre Frauen je zehn oder zwölf gemeinsam unter sich, und zwar meist Brüder mit Brüdern und Eltern mit Kindern« – so erklärt sich dies am besten als Gruppenehe. Barbarische Mütter haben nicht zehn bis zwölf Söhne, alt genug, um sich gemeinschaftliche Frauen halten zu können, aber das amerikanische Verwandtschaftssystem, das der Punaluafamilie entspricht, liefert viele Brüder, weil alle nahen und entfernten Vettern eines Mannes seine Brüder sind. Das »Eltern mit Kindern« mag falsche Auffassung des Cäsar sein; daß Vater und Sohn, oder Mutter und Tochter sich in derselben Ehegruppe befinden sollten, ist indeß bei diesem System nicht absolut ausgeschlossen, wohl aber Vater und Tochter, oder Mutter und Sohn. Ebenso liefert diese oder eine ähnliche Form der Gruppenehe die leichteste Erklärung der Berichte Herodot's und andrer alter Schriftsteller über Weibergemeinschaft bei wilden und barbarischen Völkern. Dies gilt auch von dem, was Watson und Kaye ( The People of India ) von den Tikurs in Audh (nördlich vom Ganges) erzählen: »Sie leben zusammen (d. h. geschlechtlich) fast unterschiedslos in großen Gemeinschaften, und wenn zwei Leute als mit einander verheirathet gelten, so ist das Band doch nur nominell.«
    Direkt aus der Punaluafamilie hervorgegangen scheint in weitaus den meisten Fällen die Institution der Gens . Zwar bietet auch das australische Klassensystem einen Ausgangspunkt dafür; die Australier haben Gentes, aber noch keine Punaluafamilie, sondern eine rohere Form der Gruppenehe.
    Bei allen Formen der Gruppenfamilie ist es ungewiß, wer der Vater eines Kindes ist, gewiß aber ist, wer seine Mutter. Wenn sie auch alle Kinder der Gesammtfamilie ihre Kinder nennt und Mutterpflichten gegen sie hat, so kennt sie doch ihre leiblichen Kinder unter den Andern. Es ist also klar, daß, soweit Gruppenehe besteht, die Abstammung nur von mütterlicher Seite nachweisbar ist, also nur die weibliche Linie anerkannt wird. Dies ist in der That bei allen wilden und der niederen Barbarenstufe angehörigen Völkern der Fall; und dies zuerst entdeckt zu haben, ist das zweite große Verdienst Bachofen's. Er bezeichnet diese ausschließliche Anerkennung der Abstammungsfolge nach der Mutter und die daraus sich mit der Zeit ergebenden Erbschaftsbeziehungen mit dem Namen Mutterrecht; ich behalte diesen Namen, der Kürze wegen, bei. Er ist aber schief, denn auf dieser Gesellschaftsstufe ist von Recht im juristischen Sinne noch nicht die Rede.
    Nehmen wir nun aus der Punaluafamilie die eine der beiden Mustergruppen, nämlich die einer Reihe von leiblichen und entfernteren (d. h. im ersten, zweiten oder entfernteren Grad von leiblichen Schwestern abstammenden) Schwestern, zusammt ihren Kindern und ihren leiblichen oder entfernteren Brüdern von mütterlicher Seite (die nach unsrer Voraussetzung nicht ihre Männer sind), so haben wir genau den Umkreis der Personen, die später als Mitglieder einer Gens, in der Urform dieser Institution erscheinen. Sie haben alle eine gemeinsame Stammmutter, kraft der Abstammung von welcher die weiblichen Nachkommen generationsweise Schwestern sind. Die Männer dieser Schwestern können aber nicht mehr ihre Brüder sein, also nicht von dieser Stammmutter abstammen, gehören also nicht in die Blutsverwandtschaftsgruppe, die spätere Gens; ihre Kinder aber gehören in diese Gruppe, da Abstammung von mütterlicher Seite allein

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