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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
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Jägerberichten dem Gorilla und Schimpanse zuschreibt. Zur Entwicklung aus der Thierheit hinaus, zur Vollziehung des größten Fortschritts, den die Natur aufweist, gehörte ein weiteres Element: die Ersetzung der dem Einzelnen mangelnden Vertheidigungsfähigkeit durch die vereinte Kraft und Zusammenwirkung der Horde. Aus Verhältnissen, wie denen, worin die menschenähnlichen Affen heute leben, wäre der Uebergang zur Menschheit rein unerklärlich; diese Affen machen vielmehr den Eindruck abgeirrter Seitenlinien, die dem allmäligen Aussterben entgegengehn, und jedenfalls im Niedergang begriffen sind. Das allein genügt, um jeden Parallelschluß von ihren Familienformen auf die des Urmenschen abzuweisen. Gegenseitige Duldung der erwachsenen Männchen, Freiheit von Eifersucht, war aber die erste Bedingung für die Bildung solcher größeren und dauernden Gruppen, in deren Mitte die Menschwerdung des Thiers allein sich vollziehen konnte. Und in der That, was finden wir als die älteste, ursprünglichste Form der Familie, die wir in der Geschichte unleugbar nachweisen und noch heute hier und da studiren können? Die Gruppenehe, die Form, worin ganze Gruppen von Männern und ganze Gruppen von Frauen einander gegenseitig besitzen und die nur wenig Raum läßt für Eifersucht. Und ferner finden wir auf späterer Entwicklungsstufe die Ausnahmsform der Vielmännerei, die erst recht allen Gefühlen der Eifersucht ins Gesicht schlägt und daher den Thieren unbekannt ist. Da aber die uns bekannten Formen der Gruppenehe von so eigenthümlich verwickelten Bedingungen begleitet sind, daß sie mit Nothwendigkeit auf frühere, einfachere Formen des geschlechtlichen Umgangs zurückweisen, und damit in letzter Instanz auf eine, dem Uebergang aus der Thierheit in die Menschheit entsprechende Periode des regellosen Verkehrs, so führen uns die Hinweise auf die Thierehen grade wieder auf den Punkt, von dem sie uns ein für allemal hinwegführen sollten.
    Was heißt denn das: regelloser Geschlechtsverkehr? Daß die jetzt oder zu einer früheren Zeit geltenden Verbotsschranken nicht gegolten haben. Die Schranke der Eifersucht haben wir bereits fallen sehn. Wenn etwas, so steht dies fest, daß die Eifersucht eine relativ spät entwickelte Empfindung ist. Dasselbe gilt von der Vorstellung der Blutschande. Nicht nur waren Bruder und Schwester ursprünglich Mann und Frau, auch der Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und Kindern ist noch heute bei vielen Völkern gestattet. Bancroft ( the Native Races of the Pacific Coast of North America, 1875, vol. I ) bezeugt dies von den Kaviats an der Behringsstraße, von den Kadiaks bei Alaska, von den Tinnehs im Innern des britischen Nordamerika; Letourneau stellt Berichte derselben Thatsache zusammen von den Chippeway-Indianern, den Cucus in Chilé, den Karaiben, den Karens in Hinterindien; von Erzählungen der alten Griechen und Römer über Parther, Perser, Scythen, Hunnen &c. zu schweigen. Ehe die Blutschande erfunden war (und sie ist eine Erfindung, und zwar eine höchst werthvolle), konnte der Geschlechtsverkehr zwischen Eltern und Kindern nicht abschreckender sein, als zwischen andern Personen, die verschiednen Generationen angehören, und das kommt doch heute selbst in den philiströsesten Ländern vor, ohne großes Entsetzen zu erregen; sogar alte »Jungfern« von über sechzig heirathen zuweilen, wenn sie reich genug sind, junge Männer von ungefähr dreißig. Nehmen wir aber von den ursprünglichsten Familienformen, die wir kennen, die damit verknüpften Vorstellungen von Blutschande hinweg – Vorstellungen, die von den unsrigen total verschieden sind und ihnen häufig direkt widersprechen – so kommen wir auf eine Form des Geschlechtsverkehrs, die sich nur als regellos bezeichnen läßt. Regellos insofern, als die später durch die Sitte gezogenen Einschränkungen noch nicht bestanden. Daraus folgt aber keineswegs nothwendig für die alltägliche Praxis ein kunterbuntes Durcheinander. Einzelpaarungen auf Zeit sind keineswegs ausgeschlossen, wie sie denn selbst in der Gruppenehe jetzt die Mehrzahl der Fälle bilden. Und wenn der neueste Ableugner eines solchen Urzustandes, Westermarck, jeden Zustand als Ehe bezeichnet, worin beide Geschlechter bis zur Geburt des Sprößlings gepaart bleiben, so ist zu sagen, daß diese Art Ehe im Zustand des regellosen Verkehrs sehr gut vorkommen konnte, ohne der Regellosigkeit, d. h. der Abwesenheit von durch die Sitte gezogenen Schranken des

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