Der verkaufte Tod
lebe, Hopkins, auch wenn Ihnen Kalkutta nicht paßt. Ich lebe mit meiner gekauften neuen Niere seit vier Jahren wie ein Jüngling. Da könnt ihr alle denken, was ihr wollt! Es ist mein Leben. Ich habe es mir leisten können, mein Leben zu kaufen. »Ja, Kalkutta«, sagte er trotzig. »Und Dr. Banda hat hervorragend operiert.«
»Außer Zweifel.« Hopkins nickte. »Ein blendender Chirurg.«
»Das ist er.«
»Haben Sie den Nierenspender gekannt?«
Burten schüttelte den Kopf.
Hopkins sah ihn jetzt voll an; etwas Unerklärliches lag in seinem Blick.
»Nein. Das läuft da alles völlig anonym ab. Der Spender kennt den Empfänger nicht, der Empfänger nicht den Spender. Sehen Sie mich nicht so strafend an, Professor! Wenn man sich ein Leben kaufen kann –« Burten spürte, wie etwas in ihm emporkroch, etwas wie Angst, vermischt mit einer würgenden Hilflosigkeit. Er mußte mehrmals schlucken, seine Kehle war wie ausgetrocknet. »Ist … ist etwas mit meiner neuen Niere?« fragte er und wunderte sich nicht, daß ihm seine Stimme völlig fremd erschien. »Professor, sagen Sie mir die Wahrheit, die volle Wahrheit! Ich kann sie vertragen. Mich haut so schnell nichts um, ich bin hart im Nehmen. Bitte, die Wahrheit!«
»Sie haben doch die kleinen dunkelbraunen Flecken unter Ihrem Nabel, unter der linken Achselhöhle und am rechten Innenschenkel bemerkt?«
»Natürlich. Ich habe zu Dr. Salomon noch einen Witz darüber gemacht. In meinem Alter bekommt man noch Muttermale – verrückt!«
»Das ist kein Witz mehr, Ed! Es sind keine Muttermale, es sind Kaposi-Sarkome.«
»Die gleichen Flecken hatte auch Lora!«
»Ja. Sie haben sie angesteckt.«
»Was soll das heißen! Was sind Kaposi-Sarkome?«
»Fangen wir von vorne an: Der Nierenspender war krank! Mit seiner Niere haben Sie auch seine Krankheit übernommen. Ihr Blut ist HIV-positiv.«
»Und was bedeutet das?« Burten spürte, wie sein Körper kraftlos wurde, als wolle er gleich aus dem Sessel auf den Teppich rutschen. »Professor, die volle Wahrheit!«
Hopkins blickte wieder an die Wand und dann auf den zusammengesunkenen, fahl gewordenen Burten. Er zögerte, aber dann sprach er es aus. Es war wie der Schnitt mit einem großen Messer. »Ed, Sie haben Aids.«
Die Stille, die folgte, war in Burten wie eine Explosion. Er krallte die Finger in seine Oberschenkel, ohne den Schmerz zu spüren. »Das … das ist unmöglich«, stammelte er. »Sie haben in der Klinik gesagt, daß sie alle Tests gemacht hätten. Alles sei okay. Und Lora soll ich angesteckt haben?«
»Ja. Das ist nun erwiesen.«
»Ich … ich bin der Mörder meiner Lora?«
»Sie konnten es nicht wissen, Ed. Keiner konnte es wissen.«
Die innere Explosion brach sich nun Bahn. Burten zuckte hoch und warf die Fäuste in die Luft. Er brüllte auf und warf den Kopf weit in den Nacken. »Ich fliege nach Kalkutta«, schrie er. »Noch heute, nach Kalkutta. Ich bringe sie um, ich bringe sie alle um, ich bringe diesen Dr. Banda um! Bei Gott, ich bringe ihn um!«
»Das wäre ungerecht, Ed, und ein wirklicher Mord.« Hopkins' Stimme klang nun wieder väterlich, tröstend. »Damals, als man Ihnen die Niere implantierte, wußte man noch nichts von Aids. Es war eine unbekannte Krankheit, die man unter vielen Namen als Todesursache bezeichnete. Vom Herzversagen bis zur Sepsis, alles war als Diagnose möglich. Wer dachte an ein Virus? Keinen trifft eine Schuld – eine Krankheit, die man nicht kennt, kann man nicht diagnostizieren. Und auch jetzt, wo man weiß, was Aids ist, hilft uns das nicht weiter.«
Burten atmete röchelnd. Er sank in den Sessel zurück, rutschte nach vorn und lag fast in dem Lederpolster. Aber plötzlich dachte er ganz klar, dachte an alles, was er über Aids in den letzten Jahren gelesen hatte, und rief sich zu: Du schaffst es! Ed, du schaffst es! Kopf hoch! Dort steht eine Mauer, brich sie durch! Bisher ist dir alles gelungen, was du dir vorgenommen hast. Schon morgen kann es heißen: Wir haben das Mittel gegen Aids gefunden. Und wenn es mich auch Millionen kostet, ich werde einer der ersten sein, der es bekommt. Ich werde mir ein drittes Leben kaufen. Jetzt beginnt der Kampf auf Leben und Tod – ich gebe alles hin für das Leben.
»Was nun?« fragte er und starrte Hopkins fordernd an. »Was nun, Professor?«
»Nichts! Tragen Sie es mit Fassung, Ed. Ich und keiner auf der Welt kann Ihnen mehr helfen.« Hopkins klappte die Akte Edward Burten zu. Es war eine Bewegung der Endgültigkeit. »Sie
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