Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Er kommt mir im Gegentheile wie gerufen. Ich habe nichts droben im Zimmer; ich habe Alles bei mir, und hier stehen zwei Pferde. Der Braune scheint besser zu sein als der Schwarze. Ich nehme ihn!«
    Er band den Braunen los, stieg auf, ritt vorsichtig bis an die Hinterthür und sprengte dann plötzlich durch den Flur zum Thore hinaus, rechtsum und die Straße da hinab.
    Der Wachtmeister hatte seinen Vorgesetzten mit ironischen Worten von den beiden Polizisten aus der Residenz erzählt und ihm dann den Brief gegeben. Aber als der Bürgermeister die wenigen Worte gelesen hatte, sagte er: »Mann, Sie irren sich! Der, welcher das geschrieben hat, ist der berühmte Fürst des Elends!«
    »Der Fürst des E–«
    Der Wachtmeister brachte das letzte Wort vor Schreck gar nicht heraus.
    »Und Sie sind unhöflich mit ihm gewesen? Wohl gar grob?«
    »Weil sie sagten, der Lieutenant sei der Flüchtling.«
    »Wenn der Fürst des Elendes das sagt, so hat er auch Recht. Ich habe den Offizier nicht sehen können. Wie alt ist er denn wohl?«
    »Hm! Für einen Lieutenant allerdings etwas alt!«
    »Nun, wieviel?«
    »Vierzig vielleicht.«
    »Sapperment! Und das meldet Ihr mir nicht! Was hat er Euch weiß gemacht?«
    »Daß er vorausgefahren sei. Seine Compagnie werde nachkommen, um alle Wege der Umgegend zu besetzen, da man mit Sicherheit vermuthe, daß der Flüchtling sich hierher wenden werde.«
    »Wenn das Schwindel wäre! Vielleicht will dieser Mensch nur Zeit gewinnen, sich ein Pferd anzuschaffen. Welch eine Nase von oben würden wir erhalten! Die wäre nicht von Pappe! Wo ist der Lieutenant jetzt?«
    »Im Löwen.«
    »So muß ich gleich in die Sonne. Noch ist es Zeit, den Fehler wieder gut zu machen.«
    Sie brachen eilig auf. Als sie in das Gastzimmer traten, begrüßte der Bürgermeister den Fürsten auf das Unterthänigste. Er stand im Begriff, einen langathmigen Satz loszulassen, doch der Fürst schnitt ihm denselben durch den Einwand ab: »Ich habe keine Zeit zu vielen Worten, Herr Bürgermeister. Mir scheint, Sie sind mystificirt worden?«
    »Wegen des Offiziers, welcher hier eingekehrt ist?«
    »Ja, gewiß. Ich bin ihm von der Residenz aus auf der Ferse.«
    »Er behauptet, nach hier commandirt zu sein, um mit seinen Leuten die Wege zu besetzen und auf den entflohenen Gefangenen zu fahnden.«
    »Wo hat er seine Leute?«
    »Sie kommen nach.«
    »Ah! Das glauben Sie?«
    »Mußte ich nicht.«
    »Wie hat er sich legitimirt?«
    »Er war noch nicht bei mir, da ich mich noch nicht in der Expedition befand.«
    »So! Ich sage Ihnen, daß es der Flüchtling ist.«
    »In Wirklichkeit?«
    »Es giebt gar keinen Zweifel!«
    »So muß ich gleich alle Maßregeln ergreifen, um das Versäumte – ah, was ist das!«
    In diesem Augenblicke war nämlich der Baron vor den Fenstern vorübergeritten. Auch der Fürst und Doctor Holm hatten ihn gesehen.
    »Donnerwetter!« fluchte der Letztere. »Haben Sie es gesehen, Durchlaucht?«
    »Ja. Der Hauptmann auf meinem Pferde. Sofort nach, hinter ihm her! Herr Bürgermeister, diesen Fehler werden Sie nie gutmachen können!«
    Beide eilten zur Thür hinaus.
    Eben als Holm die Thür hinter sich zuwarf, sauste der Fürst auf dem zweiten Pferde an ihm vorüber. Aus der Küchenthür kam der Schutzmann und der Hausknecht.
    »Wißt Ihr’s, daß Ihr den Hauptmann beschützt habt, Ihr dummen Kerls!« rief ihnen Holm entgegen. »Er hat uns ein Pferd gestohlen und ist auf und davon. Giebt es bei Euch kein Pferd?«
    »Der Rothschimmel,« entfuhr es dem Hausknecht.
    »Wo?«
    »Dort in der zweiten Thür.«
    Holm rannte über den Hof hinüber, riß die Stallthür auf und brachte den Rothschimmel, ein kaum dreijähriges Thier, am Halfter herausgezogen.
    »Um Gottes willen!« rief der Hausknecht. »Sie wollen doch nicht etwa hinauf?«
    »Wohin denn? Soll das Pferd etwa auf mich?«
    »Es ist gar nicht zugeritten!«
    »Ich kann nicht warten, bis Ihr es eingeritten habt. Wenn ich den Hals breche, habt Ihr es auf Eurem Gewissen. Hallo!«
    Mit einem kühnen Satze kam er hinauf. Das Pferd stieg sofort mit allen Vieren empor, bockte auf die Seite, aber – die angstvollen Zuschauer wußten nicht, wie er es fertig brachte – Holm schoß doch auf dem Thiere wie ein Pfeil über den Hof herüber, zum Thore hinaus, brachte es glücklich in die Wendung nach rechts und sauste nun die Straße hinab, als ob er Blitze fangen wolle.
    Als er die letzten Häuser erreichte, erblickte er den Fürsten fast eine Viertelwegsstunde vor sich. Aber

Weitere Kostenlose Bücher