Der verlorne Sohn
ihm. Ich darf dieses Haus nicht verlassen. Ich werde Ihnen zwei Zeilen an ihn mitgeben.«
Er zog ein Couvert aus dem Notizbuche, riß ein Blatt aus dem letzteren und schrieb darauf:
»Bitte, sich sofort zu mir zu verfügen. Fürst des Elendes.«
Er steckte das Blatt in ein Couvert, verschloß das letztere und gab es dem Wachtmeister, der sich, überlegen lächelnd, damit entfernte. Dann sagte der Fürst zu dem zurückbleibenden Schutzmanne: »Haben Sie den Infanterielieutenant, welcher hier abgestiegen ist, gesehen?«
»Ja.«
»Bitte, nehmen Sie an der Thür draußen Posto und melden Sie es mir, sobald er zurückgekehrt und auf sein Zimmer gegangen ist.«
Der Mann antwortete nicht, folgte aber der Weisung. Der Fürst nahm mit Doctor Holm einen Platz in der Nähe des Fensters, um den Baron sofort zu sehen, sobald er zurückkehren werde.
Draußen im Flur stand der Hausknecht. Der Schutzmann trat zu ihm und machte mit den beiden Händen eine lange Nase gegen die Thür.
»Was giebt’s?« fragte der Hausknecht.
»Naseweise Kerls.«
»Die letzten Beiden, die gekommen sind?«
»Ja.«
»Wer sind Sie?«
»Polizisten aus der Residenz. Sie wollen uns den Preis wegschnappen.«
»Was Alles möglich ist! Da mögen sie doch wegbleiben!«
»Ja. Wir sind selber Manns genug. Und was das Allerbeste ist, sie sagen, unser Lieutenant sei der Flüchtling.«
»Oho! Das ist lustig!«
»Er, der ihn selbst fangen will! Es ist zum Todtlachen! Ah, da kommt er!«
Das Gastzimmer, in welchem der Fürst und Holm saßen, lag rechts von dem Thore. Linker Hand des Thores aber kam jetzt der als Lieutenant gekleidete Baron von Helfenstein die Straße herab. Darum konnte er von dem Fürsten und Holm nicht gesehen werden.
Er hatte das Pferd kaufen wollen, doch war der Wirth nicht zu Hause gewesen. Als er unter den Thorweg trat, machten die Beiden ihm ein Zeichen, daß er nicht laut sprechen solle.
»Herr Lieutenant, eine Neuigkeit!« sagte der Schutzmann.
»Was?«
»Sie sind der Flüchtling!«
Das Blut stockte in den Adern des Barons. Er konnte nur die zwei Sylben hervorbringen:
»Oho!«
»Ist das nicht lächerlich?«
Das gab dem Baron den Athem wieder. Er fragte:
»Wer sagt es denn?«
»Zwei Polizisten, drin in der Gaststube.«
»Woher sind sie?«
»Aus der Residenz.«
»Ah, das ist wirklich lustig! Nicht nur die Polizei, sondern auch das Militär ist hinter dem Flüchtling her. Ich bin meiner Compagnie voran geeilt, die nun wohl in einer halben oder höchstens ganzen Stunde hier sein wird, und da kommen zwei Polizisten und behaupten, daß ich Derjenige sei, den man auf allen Wegen sucht.«
»Wir haben ihnen grad in das Gesicht gelacht.«
»Wie heißen sie denn?«
»Das ist gar nicht zur Frage gekommen.«
»Wie alt?«
»Hm! Einer etwas über Vierzig und der Andere bedeutend jünger. Da im Hofe stehen ihre Pferde.«
»Was? Polizisten zu Pferde?«
»Ja.«
»Laßt Euch nichts weiß machen!«
»Sapperment!« meinte da der Hausknecht in geheimnißvollem Tone. »Da fällt mir ein – am Ende sind die beiden Kerls nur Schwindler!«
»Wieso?«
»An den Schabraken der Reitpferde sind große Wappen.«
»Das muß ich sehen,« meinte der Baron.
Er eilte in den Hof und erbleichte. Er hatte das Wappen des Fürsten von Befour erkannt.
»Ja,« sagte er, schnell gefaßt, »das müssen Schwindler sein. Kann man sie nicht einmal unbemerkt sehen?«
»O, ganz gut!«
»Wie denn?«
»Kommen Sie mit herein in die Küche. Von dort aus führt ein kleines Fensterchen in die Gaststube.«
Er folgte ihnen. Der Hausknecht schob den Vorhang des Fensterchens zurück und blickte hindurch.
»Ah,« sagte er, »sie sitzen zu weit nach links. Es geht nicht gut. Warten Sie! Horch, da geht die Thür! Jetzt stehen sie auf. Der Bürgermeister kommt mit dem Wachtmeister. Jetzt kann man die Fremden sehen. Sie haben sich erhoben. Blicken Sie einmal hindurch!«
Der Baron trat an das Fenster und erkannte auf den ersten Blick den Fürsten. Sein Auge leuchtete entschlossen auf.
»Wartet einmal hier!« sagte er. »Jetzt gehe ich auch hinein; da werdet Ihr sogleich sehen, wie ich diese sogenannten Polizisten entlarve.«
Der Hausknecht und der Schutzmann harrten neugierig am Fensterchen, was da kommen werde. Dem Baron aber fiel es gar nicht ein, in die Stube zu gehen. Er ging in den Hof und trat zu den beiden Reitpferden.
»Wie mag dieser Teufel meine Spur gefunden haben!« zischte er durch die Zähne. »Aber er soll mich doch nicht erwischen.
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