Der verlorne Sohn
gewesen.«
»Wissen Sie das?«
»Sehr genau.«
»Geben Sie mir doch die Hand darauf!«
Dies sagte er nicht mit voller, klarer Ueberlegung. Er sprach wie im Traume, wie im somnambulen Zustande. Der Fürst gab ihm die Hand und versicherte: »Vertrauen Sie mir. Ich weiß es ganz gewiß.«
»Das ist gut, sehr gut! Aber wer sind Sie denn?«
»Ich bin der Fürst von Befour. Man nennt mich auch zuweilen den Fürsten des Elendes.«
»Des Elendes? O, da kenne ich Sie! Sie sind gut, sehr gut. Aber vorhin waren Sie schlimm.«
»Ich?«
»Ja. Sehr schlimm und grausam.«
»Wieso?«
»Da waren Sie der Hauptmann und sprachen sehr bös von meinem Sohne.«
»So war der Hauptmann bei Ihnen?«
»Ja.«
»Wo ist er hin?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was wollte er von Ihnen?«
»Er verlangte, ich sollte falsche Banknoten anfertigen und mein Sohn solle sie ausgeben. Aber ich habe nicht eingewilligt. Falsche Banknoten sind verboten.«
»Befindet sich Ihr Herr öfters in einem solchen Zustande?« flüsterte der Fürst dem Lakaien zu.
»Niemals.«
»So war er stets geistig frisch?«
»Immer.«
»Dann ist der Hauptmann bei ihm gewesen und hat ihm Mittheilungen gemacht, welche ihn in dieser Weise verstörten. Man muß ihn schonen. Sehen Sie, daß Sie ihn zur Ruhe bringen können.«
Er entfernte sich, um die Nachforschungen zu überwachen. Es fand sich keine Spur. Man sendete Boten in das Dorf; auch dort war er von keinem Menschen gesehen worden. Sein Verschwinden war vollständig unbegreiflich. Sein Pferd stand im Stalle, das heißt, das Pferd des Fürsten, welches der Baron geritten hatte. War auch er noch irgendwo versteckt?
Die Nachforschungen begannen von Neuem, führten aber zu keinem Resultate. Und doch hatte Holm den Thurm keinen Augenblick verlassen. Er hätte den sich Entfernenden sehen müssen.
Am Spätnachmittage befand sich der Major, nachdem er einige Stunden im Bette geruht hatte, wieder in der Bibliothek. Der Fürst hatte die Hoffnung aufgegeben, den Gesuchten noch zu finden und kam, um sich zu verabschieden.
»Haben Sie ihn?« fragte der Schloßherr.
»Leider nein.«
»Er wohnt in meinem Hause in der Residenz.«
»Ach, Sie sprachen von Ihrem Herrn Sohne?«
»Ja. Vom wen soll ich sonst sprechen. Wissen Sie, wie es ihm geht?«
»Er befindet sich wohl.«
»Ja, ich denke es mir. Wenn er auch zu viel brauchte, so habe ich ja stets für ihn gesorgt. Ich werde ihn besuchen; ich muß mit ihm sprechen.«
Der Fürst hielt es für das Beste, von dem Lieutenant zu schweigen, um den Zustand des Kranken nicht zu verschlimmern. Da trat der Lakai aus dem Wohnraume in die Bibliothek und winkte ihm. Er folgte dem Winke, ganz unbeachtet von dem Major.
»Was giebt es?« fragte er.
»Bitte, kommen Sie zur Garderobe!«
»Haben Sie etwas gefunden?«
Er führte ihn nach dem Garderobenzimmer und deutete auf das Sopha. Dort lag die Uniform, weiche der Baron abgelegt hatte.
»Eine Lieutenantsuniform!« sagte der Fürst. »Wem gehört sie?«
»Meinem jungen Herrn. Ich kenne sie. Ich habe sie einmal gereinigt und sehe auch die Firma des Schneiders am Rockhänkel.«
»Ist sie hier aufbewahrt worden?«
»Nein.«
»Ah! So ist es gar wohl die, welche der Hauptmann trug, als er hier ankam!«
»Natürlich!«
»Er hat sie also abgelegt?«
»Ja. Sie steckte hier unter dem Sopha.«
»Dort haben wir gar nicht gesucht. Das Sopha ist ja so niedrig, daß sich ein Mensch unmöglich darunter verstecken konnte.«
»Ich vermißte eine Kravatte, welche hier gelegen hatte, und suchte sie. Bei dieser Gelegenheit blickte ich unter das Sopha und fand die Uniform.«
»Wenn er sie abgelegt hat, muß er doch etwas Anderes angelegt haben!«
»Gewiß. Ich dachte dies auch, und darum suchte ich hier in den Schränken. Ich vermisse die erwähnte Kravatte, einen schwarzen Tuchanzug und einen Cylinderhut.«
»Alle Wetter! Da geht mir ein Licht auf!«
»Es wird gewiß das meinige sein.«
»Was denken Sie?«
»Jener Mann auf dem Felde, den ich für unsern Herrn Pastor hielt –«
»Nun?«
»Ist der Flüchtling gewesen.«
»So ist es und nicht anders. Ah, wir haben ihn entschlüpfen lassen, weil er so klug war, den langsamen Schritt eines Spaziergängers anzunehmen. Ich muß augenblicklich aufbrechen. Ich kenne sein neues Signalement. Man muß schleunigst nach allen Richtungen telegraphiren.«
Nach Zeit von kaum zehn Minuten ritt der Fürst mit Doctor Holm von dannen, den Rothschimmel am Leitzügel. Er mußte natürlich seinem Herrn
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