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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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    Prolog
    M ontag morgen, Beginn einer neuen Woche, Luft so funkelnd wie Eis in einem Kristallglas, eine wermutgoldene Sonne am delfterblauen Himmel, das alte Farnkraut glühend auf den sanft sich wölbenden Mooren, gesprenkelte Bäume, deren Blätter noch nicht vom Wind versprengt sind, die Weiden noch grün, ohne schlammiges Gras, als der Oktober in den November übergeht in der Meinung, es sei noch September.
    Edgar Wield fuhr langsam aus Enscombe hinaus, langsam, weil es an einem Morgen wie diesem bei weitem wichtiger war, wodurch man fuhr, als wohin man fuhr, und auch, weil er in der kurzen Zeit, die er im Dorf wohnte, gelernt hatte, daß nur ein Dummkopf davon ausging, die engen Landstraßen könnten auch noch über die nächste Kurve hinaus frei sein.
    Seine Vorsicht wurde belohnt. Behutsam um eine Ecke biegend, stieß er auf George Creed, der die Nachzügler seiner Herde durch ein Tor auf ein Feld trieb, auf dem ein Pferch aufgestellt war. Der Anblick entlockte Wield ein Lächeln, denn ihm fiel ein, wie er Creed das erste Mal auf ebendieser Straße bei so ziemlich derselben Beschäftigung begegnet war. Seitdem waren sie Nachbarn und Freunde geworden.
    »Morgen, George! Sieht gut aus, das Vieh«, rief er durch das offene Fenster.
    Sein Wohnsitz gab ihm das Recht, so zu tun, als hätte er Ahnung, dabei war er sich noch nicht einmal sicher, ob der Begriff
Vieh
auch auf Schafe anwendbar war.
    »Morgen, Edgar«, sagte Creed. »Sie sind wohl nicht übel. Klingt bekloppt, aber es tut mir leid, von ihnen Abschied nehmen zu müssen.«
    »Sie werden also abgeholt?« sagte Wield, dem nun die Bedeutung des Pferchs klar wurde.
    »Ja, die Menschheit braucht was zu essen, darum geht es in der Landwirtschaft. Aber je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir, zu verkaufen, was ich aufgezogen habe. Sag davon aber nichts unten im Morris, sonst denken die womöglich, meine Birne würde weich!«
    »Auf welchen Markt bringst du sie?«
    »Keinen Markt. Ich habe von Jugend auf immer mit Haig’s von Wharfedale Geschäfte gemacht. Sie zahlen mir einen Spitzenpreis, weil sie meine Tiere kennen, und ich verkaufe ihnen meine Tiere, weil ich weiß, daß sie gut mit ihnen umgehen. Also paß auf ihren Transporter auf, wenn du jetzt in die Stadt fährst. Die Dinger brauchen den größten Teil der Straße.«
    »Ich passe auf«, sagte Wield. »Keine Eile an einem solchen Morgen. Ich hätte nichts dagegen, hierzubleiben und dir zu helfen, wenn du mich haben willst.«
    »Bei einem tüchtigen jungen Mann sag ich nie nein«, lachte Creed. »Aber ich denke, du würdest es bereuen, bevor es Abend wird.«
    Er warf einen Blick nach oben, und Wield sah mit ihm hinauf zu dem makellosen blauen Gewölbe.
    »Du willst doch nicht etwa sagen, daß es umschlägt?« fragte er skeptisch. »Für mich sieht es danach aus, als würde es noch einen Monat so bleiben.«
    »Nein, mit diesem Wetter ist es zur Teezeit vorbei, und was dann kommt, sind keine halben Sachen.«
    »Meinst du? Na ja, wenn schon, hier ist es besser, als wo ich hingehe. Ob Nässe, Hagel oder Sonnenschein, nirgendwo ist es so wie in Enscombe. Bis bald, George.«
    Wield legte den Gang ein und setzte seine gemütliche Fahrt auf der Talstraße fort, die die Windungen und Wendungen des Flusses Een nachäffte, als wäre sie von ähnlich alter Geburt wie er. Einige Kilometer weiter sah er das Monstrum von Viehtransporter auf sich zukommen und fuhr seitlich in ein Wäldchen, um ihn passieren zu lassen. Der Fahrer drückte dankend auf die Hupe, und Wield winkte, als der riesige Lastwagen mit der Aufschrift
D.  HAIG & CO Livestock Wholesalers
vorbeirumpelte.
    Als er vorbeigefahren und außer Sichtweite war, blieb Wield noch eine Weile sitzen, genoß die kühle Brise, die durch das offene Fenster hereinwehte, und das Funkeln des bernsteinfarbenen Sonnenlichts auf den zitternden Zweigen. Er hatte das Gefühl, wenn er aus dem Auto stieg und in den Wald hineinwanderte, würde er immer und ewig weitergehen können, ohne daß sich etwas veränderte. Kein Altern, kein Hungern, keine Kälte, kein Verbrechen, kein Krieg …
    Und ganz gewiß kein Regen!
    Ja, das war die eine Sache, deren er sich ganz sicher war. Er hatte großen Respekt vor dem ländlichen Blick, aber auch in den Städten gab es Wetter, und man traf Sergeant Wield von der Kripo Mid-Yorkshire nicht oft ohne seinen Schirm an. Nein, diesmal hatte George sich getäuscht. Dieser Nachsommer hielt noch eine ganze Weile. Er konnte kein Ende

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