Der Wald ist schweigen
hebt sie auf das Regal, in dem die Utensilien für die Schur liegen. Wie weich sie ist, wie fest ihr Körper sich trotzdem anfühlt. Warm und lebendig. Sie schlingt die Arme um ihn, dann die Beine. Ihre Körper wiegen sich sanft, atmen im Gleichtakt. Wie gut sie riecht. Ein bisschen nach Sandelholz, ein bisschen nach Patchouli, ein winziges bisschen nach Schweiß. Er zieht sie noch dichter an sich und schiebt seine Hand unter ihre Fleecejacke. Sie hat Muskeln bekommen, seit sie auf dem Sonnenhof lebt. Sanfte Wölbungen links und rechts des Rückgrats, dieser Lebenssäule, die so viel trägt und so zerbrechlich ist. Parawati, denkt er. Göttliche Gefährtin. Sie jetzt und hier nehmen, sich in ihr vergraben, wieder, schon wieder, immer und immer wieder.
»Warte hier, warte einen Moment.« Er küsst ihren Hals, löst sich von ihr und geht zur Tür. Er späht hinaus, sieht niemanden und schiebt den Riegel vor. Nimmt eine Sperrholzplatte und stellt sie in das Fenster über dem Regal. Sie passt in die Öffnung, als wäre sie eigens dafür gemacht. Der Geruch nach Heu, das Dämmerlicht und das Wissen, was sie gleich tun werden, erregen ihn noch mehr. Im Vorraum des Stalls gibt es ein Elektroöfchen. Er klemmt es unter den Arm, reißt eine Decke aus dem Schrank und geht zurück zu dem Regal, auf dem seine Göttin sitzt und ihn beobachtet.
»Ich will dich.« Jeder seiner Schritte ist jetzt ein Schleichen, ein Lauern, das die Spannung ins beinahe Unerträgliche steigert.
»Du meinst hier, jetzt gleich? Aber …«
»Psst. Nicht sprechen.« Er stellt das Heizöfchen auf den Boden, findet eine Steckdose, schaltet es an. »Zieh dich aus.«
»Du meinst …?«
Er nickt. Geht zu ihr und schiebt seine Hände wieder unter ihr Fleece. Findet ihre Brüste. Sieht, wie die Angst, entdeckt zu werden, und die Lust in ihrem Gesicht miteinander kämpfen, bis das Verbotene ein Reiz wird, dem sie nicht widerstehen kann.
»Du bist unmöglich!« Es klingt überhaupt nicht wie eine Rüge. Mit einer entschlossenen Bewegung zieht sie Fleece und T-Shirt über den Kopf und wirft sie auf den Boden.
Beeil dich, will er drängen, aber jetzt ist es an ihr, das Tempo zu bestimmen. Sie genießt seine Ungeduld, springt auf den Boden, dreht ein paar spielerische Pirouetten. Immer noch ist er erstaunt, dass sie, die sonst so spröde und unnahbar ist, so vollkommen ohne Scham und Verklemmtheit Liebe machen kann. Weil es so sein muss, weil sie die Richtige ist. Er zerrt sich die Kleider vom Leib, lässt sie dabei nicht aus den Augen. Sie lacht, als sie seine Erektion sieht. Kein böses Lachen, sondern ein fröhliches.
»Zieh dich aus«, wiederholt er.
Unendlich langsam zieht sie den Reißverschluss ihrer Cordjeans herunter, unendlich langsam streift sie die Hose von den Hüften, den Slip. Er breitet die Decke über die staubige Holzoberfläche des Regals, sie dreht noch eine Pirouette und lacht ihn an. Aber jetzt hält er das Warten nicht mehr aus, er geht mit drei schnellen Schritten zu ihr, packt sie, hält sie fest, hebt sie auf die Decke.
»Leg dich hin.« Er ist ihr so dankbar, dass sie sofort aufhört, mit ihm zu spielen, dass sie sein Verlangen begreift oder zumindest geschehen lässt. Dass sie seinem heiseren Flüstern gehorcht, sich hinlegt, stillhält, sich bewegt, so, wie er es will. Dass sie all das, was er mit ihr tut, genießt und ihm das zeigt.
Als sie fertig sind, setzt er sich neben sie und hält sie im Arm. Sie teilen sich eine Zigarette. Dann noch eine. Auch das ist längst eine Gewohnheit geworden, eine Sucht, ebenso verboten wie ihre Liebe.
»Wir müssen uns anziehen.« Ihre Finger kraulen seinen Nacken, seinen Hals, seine Brust. »Wir haben sowieso Glück, dass niemand gekommen ist.«
»Am liebsten würde ich gleich nochmal.«
»Jetzt ist erst mal Schluss, ich muss mich um die Schafe kümmern.« Sie setzt sich auf und sieht ihm gerade in die Augen. Zieht die Augenbrauen hoch und kneift die Lippen zusammen wie eine mieslaunige Gouvernante.
»Ts, ts, ts. Sie kennen überhaupt keine Scham, mein Herr. Man muss seine Begierde beherrschen lernen!«
Sie springt auf den Boden und angelt nach ihrer Unterhose. So unverschämt jung und unverschämt sexy. Die Begierde beherrschen lernen, denkt er. Du hast ja überhaupt keine Ahnung, wie schwer das ist.
***
Der Leichnam hat leere Augenhöhlen und keine Lippen. Keine Nase. Sein ganzes Gesicht ist nur eine rohe, verdorbene Fleischmasse. Rund um die Augenhöhlen schimmern die
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