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Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurueck

Titel: Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke , Michael Sowa
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habe gerufen: »Kinder, schnell raus dem Dreckloch, sonst kommt der Kinder-Lehmann!« So habe es jedenfalls der Freund verstanden.
    Vierzig Jahre später, schreibt R., hätten sie, die beiden Freunde, mit ihren Kindern zusammengesessen, und der Freund habe seinen Kindern mit dem Kinder-Lehmann gedroht, worauf R. fragte, wer das denn sei. Der Freund erzählte die Geschichte und erfuhr nun, nach Jahrzehnten, dass die Mutter »Kinderlähmung« gemeint hatte, eine Gefahr, die Anfang der sechziger Jahre nicht von der Hand zu weisen war, denn der Polioerreger wird auch durch verschmutztes Wasser übertragen. Und die Schluckimpfung wurde erst 1962 eingeführt.

    Vom Kinder-Lehmann und dem Schlächter Müller wollen wir uns mit Liebesliedern erholen, zuerst einem, von dem Frau R. aus München berichtet, die als Dreijährige 1944 im Radio oft den Schlager Küss mich, bitte, bitte, küss mich hörte, einen Foxtrott des Komponisten Hans Carste (der später unter anderem die Erkennungsmelodie der Tagesschau schuf). Frau R. schreibt, sie habe folgenden Text verstanden: »Küss mich, bitte, bitte, küss mich, wenn die Bandanan kommt, muss ich ja nach Hause.« Die Bandanan war ihrer Ansicht nach eine Art Gouvernante, die auf die Singende und deren Unschuld aufzupassen hatte. Es habe zwei Jahrzehnte gedauert, bis sie den richtigen Inhalt kapiert habe: »… wenn die Bahn dann ankommt …«
    Schon aus dem Jahr 1930 stammt der berühmte Schlager Adieu, mein kleiner Gardeoffizier , den Liane Haid in dem Film Das Lied ist aus sang. Ein Evergreen, später vorgetragen auch von Nana Mouskouri und anderen. Frau S. schrieb, ihre Cousine habe seinerzeit »Adieu, mein kleiner Gartenoffizier« gehört, verständlich übrigens, findet Frau S., »wenn man fünf Jahre alt ist und Gartenmeier mit Nachnamen heißt«.
    Sehr schön, anrührend, traurig: wenn man sich vorstellt, wie ein kleiner Gartenoffizier seine Liebste in den Armen hält und dann von ihr scheiden muss, weil sich die strenge Bandanan nähert.
    Ich möchte das Kapitel nicht schließen, ohne drei weitere Verhörpersonen vorgestellt zu haben: das Scharlachwürstchen, den Safran und die liebliche Miss Understood.
    Zu Erstgenanntem Folgendes: Herr S. schreibt, seine Schwester Friedeborg sei als Kind eines Tages heimgekommen und habe von einer Freundin erzählt, die zum Faschingsball gehe. »Als was denn?«, fragte die Mutter. »Als Scharlachwürstchen«, antwortetedie Schwester. Von einer Csardasfürstin hatte sie nie etwas gehört. Der Safran wurde mir bekannt durch einen Brief von Herrn B. aus Ottobrunn, der im Kinderlied Backe, backe Kuchen über die Zeile »Safran macht den Kuchen gel« stolperte, weil er nicht wusste, dass Safran ein Gewürz ist, das nebenbei dem Kuchen gelbe Farbe gibt. Er hielt Safran für einen Gehilfen des Bäckers, dessen Aufgabe es war, den Kuchen »gel« zu machen, was immer das genau sein sollte, das Wort »gel« kannte B. auch nicht. Erst später, beim Plätzchenbacken mit den eigenen Kindern, schreibt B., habe er die Wahrheit über Safran erfahren – und war verwirrt über die Tüte Safran, die er in der Hand hielt. »Safran hatte in meiner Vorstellung mehr Ähnlichkeit mit dem Sarotti-Mohr als mit einem Gewürz.«
    Sarotti-Mohr? Meint er nicht den Wumbaba?
    In einem der mittlerweile recht vielen Internetforen zu unserem Thema entdeckte ich dann noch, wie jemand das Lied Don’t let me be misunderstood der britischen Gruppe Santa Esmeralda missverstanden hatte. Da wird gesungen:
    » I’m just a soul whose intentions are good,
    Oh Lord, don’t let me be misunderstood.«
    Aber jemand verstand: »Oh Lord, don’t let me be Miss Understood«.
    Bitte, lieber Gott, lass mich nicht Fräulein Verstanden sein.
    Fast ein Motto für dieses Büchlein hier.
    Ein Fehler wie dieser hat natürlich auch damit zu tun, dass viele von uns mit dem Englisch der Popmusik gelegentlich schwer überfordert sind, was zu so traurigen Fällen wie dem des Herrn B. führen kann, der mir in Hannover erzählte, wie er im Englischunterricht britische Popsongs ins Deutsche übersetzen musste,darunter Phil Collins’ Lied You can’t hurry love , woraus bei ihm wurde: »Du kannst Harry nicht lieben.«
    B. sagte, dies sei ihm noch heute peinlich. Ich indes finde, so ist das nun mal in einem gewissen Alter: Die Frage, ob man liebt und geliebt wird, lieben und geliebt werden kann, spielt eine größere Rolle als irgendwelche Texte. Wie man auch an der Zuschrift von Herrn P. aus Ulm erkennen

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