Der Welt den Ruecken - Erzaehlungen
damals, und heute abend essen wir fürstlich zusammen, was hältst du davon?«
Er verstand sofort. »Wozu brauchen wir ein Hotel?« fragte er trotzdem, »essen können wir doch auch so?«
»Nein«, sagte Franziska einfach, stand auf, zog ihren Mantel an und sagte: »Zieh einen Mantel an und Schuhe, mehr brauchst du nicht.«
»Moment«, sagte er, »so kann ich doch nicht gehen«, und er zeigte auf Strickjacke und Cordhose. »Nein«, sagte Franziska, »so kannst du nicht gehen, darum ändern wir das auch gleich, vertrau mir, laß dich einfach fallen. Damals hast du alles bezahlt, heute zahl ich. Ich bin eine reiche Frau.«
»Man sieht es«, sagte er und zog einen Mantel und Schuhe an. Er ächzte, als er sich bückte und sagte: »Ich bin nicht mehr der Adonis von damals.« »Das wollen wir doch erst mal sehen«, sagte Franziska und wunderte sich darüber, daß er ein Wort wie Adonis kannte. »Was man einmal kann, verlernt man doch nicht, mit der Liebe ist es wie mit dem Schlittschuhlaufen und dem Klavierspielen. Man muß nur ein bißchen üben.«
Er richtete sich auf, nahm ihr Gesicht in seine Hände und erschien ihr plötzlich wieder so sicher, so männlich, so fabelhaft wie damals. »Und wir üben jetzt?« fragte er. Sie nickte, und er küßte sie, fest und fordernd, wie damals, und sie flüsterte: »Ich wollte mich immer schon bei dir bedanken, vielleicht ist das jetzt der richtige Zeitpunkt.«
Sie fuhren mit dem Taxi zum feinsten Herrenausstatter der Stadt. Sie saßen hinten und hielten sich an den Händen wie verliebte Teenager. Franziska kaufte einen Anzug und ein weiches, schönes Jackett für Heinrich, dazu zwei weißblau gestreifte Hemden, Versace-Jeans und seidene Socken. Sie folgte ihm in die Umkleidekabine und preßte sich an seinen Körper, und sie fühlte und sah, daß er durchaus noch fähig war, eine Frau zu lieben.
Sie mieteten sich in einer Suite des besten Hotels ein. »Wieviel Nächte?« fragte der Portier, und Franziska sah Heinrich an und sagte kühn: »Fünf.«
Er lachte nur noch, schüttelte den Kopf und trug die Tüten mit seinen alten und neuen Sachen, das Jackett hatte er schon an.
In der Suite warfen sie alle Kleider von sich und betrachteten ihre Körper, ohne jede Hemmung, ohne Scham, nach so langer Zeit. Sie waren beide dicker geworden, sie hatten beide eine Menge Falten. Ihr Busen war nicht mehr so stramm wie damals, und sein Bauch auch nicht, aber seine Brust war glatt und schön, wie eh und je. Über sein linkes Bein zog sich die große Narbe, sonst war ihnen eigentlich alles vertraut und lieb, und sie sahen sich ins Gesicht und wollten sich, wie damals.
»Komm«, sagte sie und zog ihn zum Bett, das breit und groß war und diesmal keine Ritze hatte. »Heute mußt du nicht schwer arbeiten mit einer Anfängerin. Heute zeige ich dir alles, was du mir damals beigebracht hast, damit du dich wieder daran erinnerst, wie es geht und wie schön es ist.«
Sie liebten sich, sie badeten zusammen, sie ließen das Essen aufs Zimmer bringen, sie tranken gute Weine, sie saßen an dem kleinen Tisch am Fenster, zündeten Kerzen an und redeten und erzählten sich ihr ganzes Leben, und dann liebten sie sich wieder und schliefen tief und traumlos und voller Vertrauen nebeneinander ein. Sie schalteten den Fernseher nicht ein, sie lasen keine Zeitung. Sie waren nur mit sich beschäftigt, genau wie vor siebenundzwanzig Jahren, aber es war alles viel ruhiger, viel reifer, viel selbstverständlicher als damals, und sie waren außerordentlich glücklich. An den Abenden gingen sie eng umschlungen spazieren, rauchten, tranken in irgendeiner kleinen Bar noch ein Glas, trödelten wieder ins Hotel zurück, liebten sich wieder und wiederholten alles, was sie damals miteinander gemacht hatten, mit der gleichen Lust, nur etwas langsamer, nicht mehr so hungrig, mit viel mehr Leichtigkeit und Ruhe. Er sah sie an, als er erschöpft neben ihr lag.
»Ich hätte nicht gedacht, daß ich das alles noch kann«, sagte er. Und Franziska streichelte sein Gesicht, war gerührt über die Tränen, die sie in seinen hellen Augen sah, und sagte: »Ein guter Liebhaber ist immer ein guter Liebhaber, auch wenn er mal pausiert.«
»Du hast mir etwas zurückgegeben«, flüsterte er und küßte ihre Schulter, und Franziska sagte: »Ich hab dir nichts gegeben, was du mir nicht damals auch gegeben hättest.«
Am letzten Tag aßen sie unten im Restaurant des Hotels, an einem Tisch in der Ecke. Die Menschen waren merkwürdig
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