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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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ertragen ist. Aber du hast mir versprochen, dass du wieder zurückkommst. Erinnerst du dich?«
    Jule nickte.
    »Du kannst das nicht wissen, aber kurz, nachdem du fort bist, kam eine Frau und hat so getan, als wäre sie du.« Er fletschte die Zähne und ballte die Fäuste. »War sie aber nicht. Sie hat gesagt, du würdest doch für immer weggehen. Sie hat gelogen. Sie war nicht lieb zu mir. Sie wollte nicht stillhalten. Sie hat geschrien und geschlagen und gekratzt. Ich habe ihr gezeigt, wie man richtig stillhält. Wie man schön wird. Aber keine war so schön wie du. Keine lag so still.«
    Am Ende überraschte er sie doch noch. Mit einer Geschmeidigkeit, die seine Masse Lügen strafte, sprang er auf und überbrückte blitzschnell die letzte Distanz zu ihr. Seine kräftigen Arme legten sich um sie. Er presste sie eng an sich und bettete seinen Kopf auf ihre Schulter. Ihre Hand mit dem Messer zuckte hilflos nach oben. Sein Griff war viel zu eng, um ihm die Klinge ins Fleisch zu treiben.
    Aus und vorbei.
    Sie hatte ihre letzte Chance vertan. Jule roch seinen süßen Duft und blieb vollkommen reglos. Sie versuchte, nicht daran zu denken, was ihr die Tarotkarte verheißen hatte, obwohl der Tod sie schon umschlungen hielt.
    »Jule!« Das laute Rufen kam von oben. Aus der anderen Welt, wo der Wahnsinn Masken trug, um nicht als Wahnsinn erkannt zu werden. »Jule!«
    Rolfs Kopf zuckte hoch. »Nein!«
    »Hier unten!«, kreischte Caro wie irr. »Hier unten!«
    Smolski! Neue Hoffnung glomm in Jule auf. Smolski war da!
    »Jule!«
    »Sie heißt nicht Jule«, zischte Rolf.
    Knurrend wandte er sich von ihr ab, hin zur Stimme des Eindringlings.
    Jule zögerte nicht. Sie holte aus und stieß ihm das Messer in den Rücken.

153
     
    Rolf brüllte. Jule zerrte das Messer aus seinem Fleisch und stach sofort wieder zu. Tiefer als beim ersten Mal, und wo es zuvor von einem seiner Knochen abgelenkt worden war, fuhr es nun bis zum Heft in sein Fleisch. Er kippte nach vorn. Jules Finger rutschten vom Messergriff. Verdammt!
    Er brüllte immer noch. Mit einem Arm stützte er sich auf dem Boden ab, den anderen verrenkte er tastend nach hinten, auf der Suche nach dem Messergriff.
    Jule wich vor ihm zurück. Die Kante des Liegestuhls stieß ihr in die Kniekehlen. Sie drehte sich um. Caro war es gelungen, sämtliche ihrer Fesseln allein zu lösen. Schwach hob sie Jule die Arme entgegen. »Jule, schnell«, keuchte sie tränenerstickt. »Schnell!«
    Jule fasste Caro unter den Achseln und half ihr auf die Beine. »Raus hier! Raus hier!«
    »Jule!«, rief Smolski aus dem Erdgeschoss.
    Jule schob Caro voran, die bei jedem Schritt »Meine Füße! Meine Füße!« kreischte.
    Jule schaute nach unten. Hinter der Schleppe des Brautkleids verlief eine blutige Spur durch den Sand. Ihre Zehen. Er hatte Caros Zehen abgeschnitten! »Weiter! Weiter!«, trieb sie Caro an.
    Als sie den vorderen Teil des Raums erreichten – den mit den Kleiderständern, dem Spiegel und der Werkbank –, schrie Jule: »Smolski! Wir sind hier! Smolski!« Sie wagte es nicht, sich umzudrehen und nachzusehen, ob Rolf sich schon das Messer aus dem Leib gezogen hatte. Sie fasste Caro um die Hüften und zerrte sie durch die Tür, den kurzen Gang entlang und die Stufen hinauf. »Smolski!«
    Er kam ihnen auf der Hälfte der Treppe entgegen, seine Dienstwaffe gezückt. »Jule.«
    Sie war noch nie dankbarer dafür gewesen, einen anderen Menschen zu sehen. Er packte Caro mit seiner freien Hand am Ellenbogen und half Jule, sie Stufe für Stufe nach oben zu befördern.
    Sie waren zu langsam. Viel zu langsam. »Er ist da unten! Er ist da unten!«, rief Jule panisch. »Ich habe ihn abgestochen!«
    »Ich bring euch zu deinem Auto«, übernahm Smolski die Initiative, als sie die scheinbar endlose Treppe hinter sich gelassen hatten. Er nahm Caro von der linken Seite um die Hüfte, Jule von rechts. Gemeinsam schafften sie es tatsächlich, ein wenig an Tempo zuzulegen.
    Jule hätte fast laut aufgeschrien, als sie in der Küche bemerkte, dass er seine Pistole weggesteckt und stattdessen sein Handy am Ohr hatte.
    »Hoogens? Wo bleibt ihr denn? Er ist hier.«
    Sie quetschten sich zu dritt seitlich durch die Hintertür. Dass es draußen noch hell war, schenkte Jule neue Zuversicht. Der Horizont stand von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne in Flammen. Ja, sie konnten es schaffen.
    »Weiter«, flehte Jule Caro an. Was für Höllenqualen Caro erdulden musste! Ihre Schritte wurden langsamer, und Jule

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