Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Mutter wird sie trocknen und zu Tee verarbeiten, den sie an Nachmittagen trinkt, mit zwei Löffel Zucker, bei Kaffee sind es vier. Sie wird sagen: Aus unseren Äpfeln kann man das noch machen, die Äpfel, die es zu kaufen gibt, sind alle gespritzt, da musst du die Schale wegwerfen, nachdem du die Äpfel geschält hast. Alles gespritzt, du hast keine Ahnung, wie giftig das ist.
Als Maria Walters Mutter in Walters Arm sieht, geht sie zurück, wirft die Haustür zu, die bereits offen gestanden ist, den Blick auf das Auto freigegeben hat, den offenen Kofferraum, die Garage, dahinter die Straße, der Ort. Wie sich ihre Nasen ähneln, denkt Maria, wie aus dem Gesicht geschnitten, und hustet, als sie die Küche betritt. In der Küche, in der Maria seit zwei Jahren gefrühstückt, zu Mittag gegessen, zu Abend gegessen hat, steht Walters Mutter, sie wischt mit der Schürze über ihre Augen, sie sagt: Mein letzter Sohn. Im Radio werden die Nachrichten gelesen. Und jetzt zum Wetter, sagt der Sprecher, und Maria dreht den Ton leiser. Danach fährt sie mit der Hand die Arbeitsplatte entlang, zuerst entlang und dann darüber, sie hält bei den Apfelschalen. Ich sage nichts, denkt Maria, ich bleibe ruhig, ich könnte sagen, dein kleiner Sohn ist zweiunddreißig, dein Sohn ist seit zwei Jahren verheiratet, dein Sohn möchte nicht mehr im ungeheizten Zimmer neben den Eltern schlafen. Wir hätten doch genügend Platz, sagt Walters Mutter, wir könnten ins Esszimmer ziehen, wir essen ohnehin nie dort, du könntest alle Räume im ersten Stock haben, da ist genügend Platz, auch für Kinder. Du, sie sagt du, denkt Maria, ich bin in diesem Haus unsichtbar. Walters Mutter sagt: Jetzt werden wir allein sein, zum Glück lässt du uns den Hund, aber was solltest du auch mit dem Hund in der Stadt, lange wird er ohnehin nicht mehr leben, schau, wie er sich unter der Küchenbank verkriecht. Walters Mutter wischt ihre Hände in der Schürze ab, Walter nimmt seine aus den Hosentaschen, er sagt: Mutti, mehr nicht. Walters Mutter sagt: Oft wird er nicht hinauskommen, dein Vater schläft lieber, als dass er spazieren geht. Wir werden nicht jünger, bestimmt, wenn wir Enkel hätten, aber ohne Kinder, ohne Kinder ist kein Leben im Haus, und ist kein Leben im Haus. Walters Mutter spricht den Satz nicht zu Ende, und Maria möchte sie schütteln, möchte sagen: Hermine, sprich deine Sätze zu Ende. Aber Maria fährt mit der Hand über die Arbeitsplatte, in die andere Richtung als zuvor, dort wo sie einen tiefen Kratzer hat, schabt sie mit dem Fingernagel. Es ist deine Entscheidung, sagt Walters Mutter nach einer langen Pause, sie seufzt und sagt: Alles wird leer, und Maria putzt den Schmutz von der Küchenplatte unter ihrem Fingernagel hervor.
Die Gegend ist in die Sonnseite und die Schattseite unterteilt. Die Schattseitigen leben dort, wo der Berg im Winter die Sonne verdeckt. Die Schattseitigen sind dem Leben abgewandt, die Schattseitigen, heißt es, verstehen unter dem Wort
Krawatte
kein Kleidungsstück, sondern einen Strick. Walters Eltern leben auf der Schattseite. Sie sagen, es stört sie nicht, von Oktober bis Februar keinen Sonnenstrahl zu sehen. Dafür haben wir keinen Nebel, sagen sie, wir könnten im Nebel nicht leben. Sie sagen: In der Stadt ist im Herbst und im Winter nichts als Nebel. Die Stadt ist eine Nebelsuppe, in der die Menschen wie Nudeln schwimmen, erklärte Walters Vater an einem Sonntag, an dem Marias Eltern zu Besuch waren. Walters Mutter nickte bei dem Wort
Nebelsuppe
, und Maria dachte daran, dass in der Nudelsuppe von Walters Mutter immer zu wenig Nudeln und zu viel Karotten sind. Marias Vater sagte: Ab und zu sehen wir die Sonne, wenn wir an Sonntagen beim Mittagessen sitzen, scheint sie zum Fenster herein, auch im Herbst, auch im Winter, da wird einem warm ums Herz. Habt ihr heute Zeitung gelesen, fragte Walter und erzählte eine Geschichte, die Maria eine halbe Stunde später wieder vergessen hatte. Aber sie fragte Walter später nicht, wovon er erzählt hatte, sie dachte: Wenn es wichtig war, wird es mir wieder einfallen, sie sagte: Gut, dass du das Thema gewechselt hast.
Walters Vater ist ein großer Mann, seine Brille verdeckt den Großteil seines Gesichts, aber er setzt sie nur zum Lesen auf, zum Lesen und zum Essen, wenn er vergisst, die Brille abzunehmen. Walters Vater liest gern Zeitung, an Nachmittagen schläft er dabei nach zehn Minuten ein, er schnarcht rhythmisch, und wenn sein Schnarchen für eine Weile
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