Der Winterschmied
sprechen!
Sie glauben, dass Magie nichts kostet, dass ich einfach nur mit den Fingern schnippen muss. Aber was tauge ich, wenn ich ihnen jetzt nicht helfen kann? Ich darf ihnen nicht zeigen, dass ich mich fürchte. Hexen dürfen sich nicht fürchten.
Und das ist alles meine Schuld. Ich habe damit angefangen, und ich muss es auch zu Ende bringen.
Herr Weh räusperte sich.
»... Und, äh, wenn du den Schnee... äh, wegzaubern könntest oder so? Für uns ...?«
Alles im Zimmer war grau, denn Schnee lag vor den Fenstern, durch die das Licht hereindrang. Niemand hatte Zeit damit vergeudet, das grässliche Zeug von den Häusern wegzuschaufeln. Jeder, der eine Schaufel halten konnte, wurde woanders gebraucht, und trotzdem waren sie zu wenige. Die meisten Leute waren die ganze Nacht auf den Beinen und bei den Jährlingen gewesen, hatten versucht, alle Gefahren von den neuen Lämmern fernzuhalten... im Dunkeln, im Schnee...
In ihrem Schnee. Er war eine Botschaft für sie. Eine Herausforderung. Ein Ruf.
»Na schön«, sagte Tiffany. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Braves Mädchen«, erwiderte ihr Vater und lächelte erleichtert.
Nein, ich bin kein braves Mädchen, dachte Tiffany. Ich habe das alles über uns gebracht.
»Ihr müsst ein großes Feuer entzünden, drüben bei den Schuppen«, sagte sie laut. »Ein richtig großes Feuer, versteht ihr? Werft alles hinein, was brennt. Gebt ihm Nahrung. Es wird wieder ausgehen wollen, aber ihr müsst dafür sorgen, dass es weiterbrennt. Haltet genug Brennmaterial bereit, was auch immer geschieht. Das Feuer darf nicht ausgehen!«
Tiffany gab dem »nicht!« einen lauten, furchterregenden Klang, um zu verhindern, dass die Gedanken der Leute abschweiften. Sie streifte den dicken braunen Wollmantel über, den Fräulein Verrat für sie gemacht hatte, und nahm den spitzen schwarzen Hut vom Haken an der Tür. Eine Art gemeinschaftliches Grunzen entrang sich den Menschen, die sich in der Küche zusammendrängten, und einige von ihnen wichen zurück. Wir wollen jetzt eine
Hexe, wir brauchen jetzt eine Hexe, aber... wir weichen jetzt auch ein wenig zurück.
Das war die Magie des spitzen Huts. Fräulein Verrat nannte es »Boffo«.
Tiffany Weh trat hinaus in den schmalen Korridor, der in den Schnee auf dem Hof gegraben worden war - die Schneewehen waren dort mehr als vier Meter hoch. Wenigstens schützten sie vor dem Wind, der aus Messern zu bestehen schien.
Man hatte einen Weg zur Koppel geschaffen, aber es war alles andere als leicht gewesen. Wenn der Schnee überall vier Meter weit aufragt, wie und wohin soll man ihn dann beiseite räumen?
Tiffany wartete bei den Karrenschuppen, während die Männer an den Mauern aus Schnee herumhackten und -kratzten. Inzwischen waren sie todmüde; sie hatten stundenlang Schnee geschaufelt.
Das Wichtigste war...
Aber es gab vieles, was wichtig war. Es war wichtig, ruhig und zuversichtlich zu wirken. Es war wichtig, einen klaren Kopf zu behalten. Es war wichtig, nicht zu zeigen, dass man sich vor Angst fast in die Hosen machte...
Sie streckte die Hand aus, fing eine Schneeflocke auf und untersuchte sie eingehend. Es war keine normale, nein, ganz und gar nicht. Es war eine seiner speziellen Schneeflocken. Kein gutes Zeichen. Er verhöhnte sie. Tiffany hatte ihn nie zuvor gehasst, aber jetzt war sie dazu imstande, denn er tötete die Lämmer.
Sie fröstelte und zog den dicken Mantel enger um ihre Schultern.
»Dies ist meine Entscheidung«, krächzte sie, und ihr Atem bildete in der Luft kleine Wölkchen. Sie räusperte sich und begann erneut. »Dies ist meine Entscheidung. Wenn es einen Preis zu zahlen gibt, so entscheide ich, ihn zu zahlen. Wenn es mein Tod ist, so entscheide ich zu sterben. Wo auch immer mich dies hinführt, ich entscheide, dorthin zu gehen. Ich entscheide. Es ist meine Entscheidung.«
Wenn dies ein Zauberspruch war, so in erster Linie für sie selbst. Und wenn Zaubersprüche nicht einmal bei einem selbst wirken, dann wirken sie überhaupt nicht.
Tiffany kroch noch tiefer in den Mantel, um den schnei denden Wind auszusperren, und beobachtete, wie die Männer Stroh und Holz herbeischafften. Das Feuer kam so langsam in Gang, als fürchtete es, Enthusiasmus zu zeigen.
Sie hatte das schon mal getan, oder? Dutzende Male. Der Trick war nicht so schwer, wenn man ein Gefühl dafür hatte. Aber bisher hatte sie sich dabei immer Zeit genug gelassen, um zur richtigen inneren Einstellung zu finden, und ihn immer bloß auf ein
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