Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
Rebecca gewesen.
Obwohl er keinen richtigen Plan hatte, setzte er Ragger und das Ersatzpony im Schlepptau in Bewegung und rutschte seitlich den Hang hinab zu der Stelle, von wo aus er ihr folgen konnte. Am Anfang war er noch vorsichtig und ließ die Ponys langsam gehen, aber schon bald trieb er sie kräftig an, aus Angst, zu spät zu kommen.
Eine Meile weiter bergab hatte die Jagd ein abruptes Ende gefunden. Der Weg führte hier durch eine kleine Bergschlucht, die mit Felsbrocken und Geröll übersät war. Han konnte hören, wie die Männer einander etwas zuriefen. Er warf Raggers Zügel über einen Lorbeerbusch, stieg ab und schnappte sich seinen Langbogen und ein Bündel Pfeile. Er kletterte an der Seite der Schlucht hoch, über Eis und Stein, und schob sich dann bis zum Rand, sodass er in die Schlucht hinuntersehen konnte. Blinzelnd versuchte er, im schwachen Licht etwas zu erkennen.
Das Pferd des flüchtenden Mädchens stand reiterlos an der Seite; es hielt den Kopf nach unten geneigt, seine Flanken hoben und senkten sich, und sein Fell dampfte in der kalten Luft. Im ersten Moment dachte Han, er wäre zu spät gekommen, und sie hätten das Mädchen bereits erwischt. Aber die Reiter stiegen in höchster Eile von ihren Pferden, luden ihre Armbrüste nach und zogen ihre Klingen. Offensichtlich hatten sie ihre Beute irgendwie gestoppt. Vielleicht war das Pferd gestolpert, und sie war abgeworfen worden.
Oder sie hatten sie in einen Hinterhalt gelockt. Als er jetzt noch einmal nachzählte, stellte er fest, dass sich mindestens acht Männer in der Schlucht befanden.
Einer der Männer hob eine Faust und bedeutete den anderen zu warten. Dann legte er die Hände wie einen Trichter um den Mund und rief: »Ziehen wir die Sache hier nicht unnötig in die Länge. Zu Fuß werdet Ihr nie von hier wegkommen. Ergebt Euch, und es wird Euch nichts geschehen. Leistet Widerstand, und ich kann für nichts garantieren.«
Ha, dachte Han. Das Mädchen hat gesehen, was mit ihren Freunden passiert ist. Sie müsste schon sehr dumm sein, um auf dieses Angebot reinzufallen.
Der Mann wartete. Er bekam keine Antwort, abgesehen vom Klirren der gefrorenen Blätter im Wind. Er zuckte mit den Schultern, nickte seinen Kameraden zu und brüllte ein paar Befehle. Die Männer schwärmten aus; sie stießen mit ihren Klingen ins Unterholz, stocherten in Spalten und hinter Felsbrocken herum, wateten durch Schneewehen, die ihnen bis zur Taille reichten, und arbeiteten sich die Schluchtwände hinauf.
Einer der Männer kletterte gegenüber von Han auf einen kleinen Felsabsatz und rief plötzlich etwas, dann taumelte er, schwankte und stürzte schreiend in die Tiefe, während er wild mit den Armen ruderte. Er landete rücklings auf dem Boden der Schlucht. Einer seiner Kameraden kletterte über die Felsbrocken hinweg zu ihm hin.
»Korporal Markel!«, rief er, und seine Stimme klang schrill vor Empörung. »Dieses verfluchte Miststück hat Jarvit einen Bolzen verpasst.«
Korporal?, dachte Han. Dann sind sie also tatsächlich Soldaten, wie ich es mir gedacht habe. Aber wieso haben sie Byrnes Trupp angegriffen? Müssten sie nicht eigentlich auf der gleichen Seite stehen?
Mit einem Mal sah es so aus, als wären die Jäger die Gejagten. Sie sprachen leise miteinander, drehten die Köpfe und musterten die Felswände. Dabei duckten sie sich tief, um bloß keine allzu geeignete Zielscheibe abzugeben – jeder von ihnen schien nur zu gern den anderen die Ehre zu überlassen, die verborgene Armbrustschützin aufzuspüren.
Markel fluchte und deutete mit einem Finger auf die rechte Felswand. »Der Bolzen muss von irgendwo da vorn gekommen sein«, rief er. »Es handelt sich um nichts weiter als ein mickriges Mädchen, ihr Feiglinge!«
»Sie hat schon Leutnant Gillen umgebracht«, quengelte Markels Kamerad. »Ich finde, sie ist um einiges gefährlicher, als du denkst.«
Han hob erstaunt den Kopf. Gillen? Mac Gillen? Wenn das Mädchen wirklich Gillen getötet hatte, hatte sie sich eine Belohnung verdient. Jeder Feind von Mac Gillen ist ein Freund von mir.
Die Soldaten standen da, murrten und sahen immer wieder zur Schluchtwand hinauf, wo sich das Mädchen irgendwo versteckt halten musste. Sie schienen wenig Lust auf diese Aufgabe zu haben.
»Ihr habt Hauptmann Byrne erledigt, habt ihr das vielleicht schon vergessen?«, höhnte Markel. »Ihr steckt viel zu tief mit drin, um jetzt auszusteigen. Wenn sie entkommt, habt ihr ’ne Menge Scheiße am Hals.«
Die
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