Der Zorn des Highlanders
ab, und das brachte Schwierigkeiten mit sich. Cameron wünschte nur, er wäre nicht mit einem weiteren Problem konfrontiert worden, bevor er seine Heimat Schottland wiedersah und, so Gott wollte, dort Frieden fand.
Diese neue Schwierigkeit bereitete ihm größtes Unbehagen: Sie war zerzaust und schmutzig und schien auch nicht den mädchenhaften Anstand zu besitzen, sich zu fürchten. Sie trug eine Unterhose und einen Dolch um ihren reizenden Oberschenkel. Ihre schönen Beine faszinierten ihn, und das fand er alarmierend. Er hatte fast die ganzen achtundzwanzig Jahre seines Lebens gebraucht, um zu erkennen, dass begehrenswerte Frauen ihm nichts als Ärger einbrachten. Daher war er nicht besonders entzückt darüber, dass diese zierliche Frau mit den goldenen Augen seine Leidenschaft, die er beinahe drei Jahre lang so streng unter Kontrolle gehalten hatte, zu neuem Leben erweckte. Während dieser langen, kalten Jahre seines selbst auferlegten Zölibats war er nicht ein einziges Mal schwankend geworden. Aber jetzt …
Er musterte die Frau eingehend, um eine Erklärung dafür zu finden, warum er plötzlich diese schmerzhafte Anspannung fühlte, warum ihm das Blut in den Adern pochte. Sie war nicht groß, reichte ihm wahrscheinlich gerade einmal bis zur Brust. Zudem war sie gertenschlank, das genaue Gegenteil jener üppigen Frauen, die er in der Vergangenheit immer bevorzugt hatte. Ihre Brüste waren klein, aber fest und verführerisch geformt. Sie hatte eine sehr schmale Tail-le und sanft geschwungene Hüften. Ihre wunderschönen, schlanken und überraschend langen Beine hatte er schon gesehen. Die Haut schien am ganzen geschmeidigen Körper von einem leichten Goldhauch überzogen. Donald hatte recht: Sie hatte Katzenaugen. Nicht nur waren sie bernsteinfarben, sie standen auch ein wenig schräg, was ihre Katzenhaftigkeit verstärkte. Unter gebogenen Brauen und langen, dunklen Wimpern beherrschten sie das kleine herzförmige Gesicht mit der schmalen Nase und den volle Lippen. Alles wurde umflutet von schweren, goldbraunen Locken, die – durchsetzt von aufschimmerndem Rot – bis über ihre Hüften herabfielen.
Cameron fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, rieb sich den Nacken und verzog kaum merklich das Gesicht. Sie war vom zerzausten Scheitel bis zu ihren zierlichen Füßen eine goldfarbene Frau. Er konnte mit sich selbst diskutieren, bis ihn die Zunge schmerzte, aber er konnte nicht leugnen, dass sie etwas ganz Besonderes war. Wenn er seinem Keuschheitsgelübde treu bleiben wollte, musste er sich möglichst fern von ihr halten. Das würde sich allerdings als schwierig erweisen, wenn er sie mit nach Schottland nahm.
»Wer seid Ihr?«, wollte er wissen.
Avery erwog kurz, zu lügen, kam aber zu der Überzeugung, dass das keinen Sinn hätte. Gillyanne wäre nicht fähig, die Lüge dauerhaft aufrechtzuerhalten. Sie war zu jung für ein längeres oder kompliziertes Täuschungsmanöver. »Ich bin Avery Murray, Tochter von Sir Nigel Murray und Lady Gisèle of Donncoill. Das hier ist meine Cousine Gillyanne Murray, Tochter von Sir Eric und Lady Bethia Murray of Dubhlinn.« Sie stockte, als sein Gesichtsausdruck innerhalb eines Herzschlags von Fassungslosigkeit zu rasendem Zorn wechselte.
»Cameron, war es nicht ein Murray, der …«, begann Donald.
»Ja, es war ein Murray«, knurrte Cameron, packte Avery an ihrem schlanken Arm und zog sie auf die Beine. »Kennt Ihr einen gewissen Sir Payton Murray, Mistress?«
»Er ist mein Bruder«, antwortete sie und fragte sich, was Payton wohl angestellt hatte, dass dieser Mann so in Wut geriet. Sie bog sich nach hinten weg von ihm, und Angst durchzuckte sie, als er schließlich kalt und hart lächelte.
»Vielleicht hat der alte Bearnard seine Schuld tatsächlich voll und ganz beglichen.«
»Meine und Gillyannes Familie wird Euch trefflich entlohnen, wenn Ihr uns sicher nach Hause bringt.«
»Oh ja, sie werden ganz bestimmt bezahlen. Endlich ist mir das Schicksal gewogen. Ich bekomme ein Mädchen in die Hände, damit ich Lösegeld dafür einfordern kann – und der Narr, der damit seine Wettschulden begleicht, übergibt mir die Schwester des feigen Bastards, der meine Schwester geschändet hat.«
Bestürzt über die beleidigende Anschuldigung, sah Avery den Mann mit offenem Mund an. Dann wurde sie von einer Woge des Zorns überschwemmt. Sie warf ihm Schimpfnamen an den Kopf, ballte ihre kleine Faust und schlug ihn auf den Mund. Er stieß einen Fluch aus, doch ihr
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