Des Kaisers Gespielin (German Edition)
verlassen. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Es stand nicht viel darin, ein großer Schrank, ein wackeliges Tischchen, ein Bett und ein paar Bilder an der Wand, die der nur mäßig inspirierten Feder meiner Schwester entstammten. Es war augenfällig nichts besonderes daran. Alles hier sah seit langem abgenutzt und etwas schäbig aus. Die besseren Stücke waren nach und nach veräußert worden, bis nur noch blieb, was unverzichtbar und beinahe wertlos war. Aber es war mein. Und ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie all diese Gegenstände in einer anderen Zeit geglänzt und geschimmert hatten. Würde dort auch etwas nur mir gehören? Ich seufzte einmal tief. Ich würde also mein Reich vermissen, das ließe sich verschmerzen. Was noch?
Meine Mutter? Eher nicht. Eine schöne und stolze Frau hatte ich vor Augen, aber auch eine Fremde, deren harter Zug um den Mund mich als Kind oft erschreckt hatte. Heute wusste ich, dass er selten wirklich mir gegolten hat, sondern den Härten des Lebens als solches. Ich sah nicht viel von ihr, verspürte aber auch nicht den Wunsch danach. Nein, dachte ich, ohne Mutter würde mir nicht viel fehlen.
Und Vater? Er war ein großer, auf seine abwesende Weise freundlicher Mann, aber gleichzeitig distanziert. So war er gewesen, so weit ich mich zurück erinnern konnte. Er wusste mit uns Mädchen nicht viel anzufangen, und die Leute tuschelten, wenn sie glaubten, wir würden es nicht hören, dass er wohl besser einen Sohn bekommen hätte. Wahrscheinlich hatten sie recht. Zeit meines Lebens hatte ich mir gewünscht, dass er mich sehen könnte, als das, was ich war, nicht das, was ich nicht war. Aber auch dieser Wunsch war still und leise vergangen, wie so vieles, was im Strom der Zeit versinkt. Ungesehen, ungehört.
Ich musste wieder schlucken. Vielleicht wenn ich ginge... Entgegen meiner romantischen Hoffnung wusste ich doch, dass es für ihn vor allem eine Erleichterung sein würde, mich gehen zu sehen. Im Grunde würde ich dann nichts als eine Ausgabe weniger sein, um die er sich sorgen musste. Eine Tochter gut versorgt zu wissen, nein, das war keine Schande für einen Vater. Nicht vor der Welt und nicht einmal vor mir.
Elli würde mich vermissen, das wusste ich, und ich sie. Die warme kleine Frau war für mich das, was einer Mutter am nächsten kam. Beständig wie ein Baum, stark und verständnisvoll. Die letzte Magd, die uns nicht verlassen hatte, als die Zeiten schwer wurden. Die trotz weniger Lohn und steigender Arbeit geblieben war, für mich und meine Schwester. Noch einmal atmete ich tief durch.
Meine kleine dickköpfige, meine wunderbare Schwester Line. Sie war fast eine Dekade jünger als ich, aber ich war ihr seit ihrer Geburt hoffnungslos verfallen. Klein war sie und wild und gesegnet mit einem trotzigen Gemüt, und bei all diesen kleinen Schwächen der wunderbarste Mensch, den man sich vorstellen konnte.
Während ich in Erinnerungen und Herzschmerz schwelgte, überhörte ich, dass sich ebenjene polternd ihren Weg über die Treppe zu meinem Zimmer bahnte. Es klopfte und bevor ich mich aus meiner Starre befreien und sie hereinbitten konnte, stand Line schon in der Tür, mit wildem Haar und völlig außer Atem. Ihre dunklen Augen hefteten sich auf mich.
„Warum hast du mir nichts gesagt?“
„Was gesagt?“
Ich hob ahnungslos meine Schultern, obwohl ich eine ziemlich genaue Idee hatte, wovon sie sprach. Line ließ sich neben mich aufs Bett fallen, ihr Blick verließ dabei nicht eine Sekunde lang mein Gesicht, als versuchte sie darin zu lesen, eine Bestätigung zu finden.
„Du wirst bald fortgehen?“
Es klang mehr wie eine Bestätigung als eine Frage.
„Und keiner sagt mir was. Was soll denn dann aus mir werden?“
Ich ignorierte den anklagenden Ton in ihrer Stimme.
„Ich gehe nicht freiwillig,“ versuchte ich sie hinzuhalten,“woher weißt du es?“
Beschämt senkte sie den Kopf, die Schuld stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Resigniert nahm ich ihre Hand.
„Lass dich ja nicht erwischen! Du weißt, was Vater und Mutter über Besuche in der Nachbarschaft gesagt haben.“
Line wurde rot und verteidigte sich flüsternd: “Ich schäme mich nicht dafür, arm zu sein. Und ihnen ist es egal. Wirklich! Niemand hat je ein Wort darüber verloren.“
Ich strich ihr kurz übers Haar. Manchmal vergaß ich, wie jung, wie naiv sie doch war.
„Ach Vögelchen, natürlich schämst du dich nicht, warum solltest du auch? Aber Mutter schämt
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