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Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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zurückzulegen hatte, war beträchtlich, und ärgerlich dachte er daran, daß das plötzliche Erscheinen des Generals Frau von Vandeleur daran gehindert hatte, ihn mit dem nötigen Fahrgeld zu versehen. Es war sehr zu befürchten, daß sein Teint an einem so schwülen, sonnigen Tage schweren Schaden litt, und andrerseits erschien es ihm bei seiner Denkungsart fast als eine unerträgliche Herabwürdigung, mit einer Putzschachtel durch so viele Straßen Londons zu gehen. Er blieb stehen und ging bei sich zu Rate. Die Familie Vandeleur wohnte am Eaton-PIatz, sein Ziel war Notting-Hill; so konnte er seinen Weg durch den Park nehmen, hübsch im Freien bleiben und die belebten Straßen vermeiden; auch dankte er seinem Stern bei dem Gedanken, daß es noch ziemlich früh am Tage sei.
    Von dem lebhaften Wunsche beseelt, sein Gepäck möglichst bald loszuwerden, ging er etwas schneller als gewöhnlich, und er hatte schon ein gut Stück des Kensington-Parkes hinter sich, als er sich plötzlich an einer einsamen, mit Bäumen bestandenen Stelle dem General gegenübersah.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Sir Thomas,« flüsterte Harry, indem er höflich nach einer Seite ausbog,denn der andere versperrte ihm den geraden Weg.
    »Wohin gehen Sie?« fragte der General.
    »Ich gehe hier unter den Bäumen spazieren,« entgegnete der junge Mann.
    Der General schlug mit seinem Stocke auf die Putzschachtel und schrie:
    »Mit dem Ding da? Sie lügen, Sie wollen mich belügen!«
    »Ich muß bemerken, Sir Thomas,« erwiderte Harry, »Fragen in solchem Ton bin ich nicht gewöhnt.«
    »Sie verkennen Ihre Stellung,« schrie der General. »Sie sind mein Diener, und zwar ein Diener, den ich schwer im Verdacht habe. Es ist mir gar nicht unwahrscheinlich, daß Ihre Schachtel voll von silbernen Löffeln steckt.«
    »Es ist ein seidener Hut von einem meiner Freunde darin,« sagte Harry.
    »Gut,« versetzte General Vandeleur. »Dann möchte ich den seidenen Hut Ihres Freundes sehen. Ich interessiere mich,« setzte er mit grimmigem Lachen hinzu, »ganz besonders für Hüte, und Sie wissen, daß ich keinen Spaß verstehe.«
    »Entschuldigen Sie, Sir Thomas, es ist mir außerordentlich leid,« wandte Harry ein, »aber es handelt sich hier um eine reine Privatsache.«
    Der General packte ihn mit einer Hand kräftig an der Schulter, während er mit der andern seinen Spazierstock in der bedenklichsten Weise erhob. Harry gab sich schon verloren, aber im selben Augenblick sandte ihm der Himmel einen unerwarteten Verteidiger inder Person Karl Pendragons, der zwischen den Bäumen hervortrat.
    »Halt, General!« rief dieser. »Wahren Sie Ihre Hand! Das ist eines Gentlemans und eines Soldaten unwürdig!«
    »Aha!« schrie der General und drehte sich gegen seinen neuen Gegner herum, »Herr Pendragon! Und Sie meinen, Herr Pendragon, weil ich unglücklicherweise Ihre Schwester geheiratet habe, soll ich mich von einem Wüstling, der keinen Pfennig Kredit mehr hat, überwachen und mir meine Wege kreuzen lassen? Meine Bekanntschaft mit Ihrer Schwester hat mir jeden Wunsch genommen, noch weitere Mitglieder der Familie kennenzulernen.«
    »Und bilden Sie sich ein, General,« gab Karl zurück, »weil meine Schwester das Unglück gehabt hat, Ihre Frau zu werden, sie habe damit ein für allemal alle ihre Rechte als Dame verloren? Ich räume ein, sie hat durch jenen Schritt allerdings das Menschenmögliche zur Verschlechterung ihrer Stellung getan, aber für mich ist sie auch jetzt noch eine Pendragon. Ich mache es mir zur Aufgabe, sie gegen unziemliche Übergriffe zu schützen, und wenn Sie zehnmal ihr Gatte wären, so würde ich nicht zulassen, daß man ihre Freiheit beschränkt und ihre Privatboten gewaltsam anhält.«
    »Wie ist's, Herr Hartley?« fragte der General. »Herr Pendragon ist meiner Meinung, er argwöhnt ebenfalls, daß meine Frau etwas mit dem seidenen Hut Ihres Freundes zu tun hat.«
    Karl sah, daß er einen unverzeihlichen Fehler begangenhatte, den er schleunigst wieder gutzumachen versuchte.
    »Wie?« schrie er, »Sie sagen, ich argwöhne? Ich argwöhne gar nichts. Nur wenn ich sehe, daß einer seine Kraft mißbraucht und den Schwächeren mißhandelt, bin ich so frei, dazwischenzutreten.«
    Bei diesen Worten machte er Harry ein Zeichen, das dieser aber infolge seiner Aufregung oder seiner Dummheit nicht verstand.
    »Was soll ich von Ihrer Einmengung halten?« brauste Vandeleur auf, erhob noch einmal seinen Stock und führte einen Hieb nach Karls Kopf. Karl

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