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Désirée

Désirée

Titel: Désirée Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annemaire Selinko
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Revolutionskokarde zu finden. Ich fand sie natürlich erst in dem letzten und befestigte sie auf meinem, wie mir vorkam, ungemein verführerischen Taschentuchbusen. Dann lief ich mit Julie ins Eßzimmer hinunter.
    Mama und Suzanne hatten bereits mit der Mahlzeit begonnen. Auch Suzanne hatte sich die Kokarde angesteckt. Zu Beginn der Revolution trug man sie immer, aber jetzt schmücken sich nur noch Jakobiner damit oder Leute, die so wie wir bei einer Behörde oder einem Abgeordneten vorsprechen. Natürlich – in unruhigen Zeiten, zum Beispiel während der Girondistenverfolgungen im Vorjahr und den darauf folgenden Massenverhaftungen, wagte niemand, ohne die blau-weiß-rote Rosette der Republik auszugehen. Ich habe anfangs diese Rosette mit denFarben Frankreichs geliebt. Aber jetzt mag ich sie nicht mehr, ich finde es so unwürdig, wenn man seine Gesinnung am Ausschnitt oder Rockaufschlag zur Schau stellt. Nach dem Essen holte Mama die Kristallflasche mit dem Portwein. Gestern Abend bekam Suzanne ein Glas, aber heute schenkte Mama zwei Gläser ein und reichte eines ihr und eines mir. »Trink langsam, Portwein stärkt«, sagte sie zu mir. Ich nahm einen großen Schluck, es schmeckte klebrig und süß, und mir wurde plötzlich ganz warm. Gleichzeitig wurde ich gut aufgelegt. Ich lächelte Julie zu, da bemerkte ich, dass sie Tränen in den Augen hatte. Und jetzt legte sie sogar den Arm um meine Schulter und drückte ihr Gesicht an meine Wange.
    »Eugénie –«, flüsterte sie, »gib Acht auf dich!«
    Der Portwein machte mich sehr lustig. Ich rieb im Spaß meine Nase an Julies Wange und flüsterte zurück: »Hast du vielleicht Angst, dass mich Volksrepräsentant Albitte verführen könnte?«
    »Kannst du niemals etwas ernst nehmen?«, sagte Julie ärgerlich. »Es ist doch kein Spaß, ins Maison Commune zu gehen, während Etienne verhaftet ist. Du weißt doch, dass –« Sie stockte. Ich nahm einen letzten langen Schluck Portwein. Dann sah ich ihr in die Augen: »Ich weiß, Julie, was du meinst. Meistens werden auch die nächsten Angehörigen eines Mannes, der unter Anklage steht, verhaftet. Suzanne und ich sind natürlich in Gefahr. Du und Mama übrigens auch, aber da ihr nicht ins Maison Commune geht, macht ihr euch nicht bemerkbar. Und deshalb –«
    »Ich wollte, ich könnte Suzanne begleiten.« Ihre Lippen zitterten. Dann nahm sie sich zusammen: »Aber, wenn euch etwas passiert, braucht mich Mama.«
    »Es wird uns nichts passieren«, sagte ich. »Und wenn, so werde ich wissen, dass du gut auf Mama aufpasst undversuchst, mich freizubekommen. Wir beide wollen immer zusammenhalten, nicht wahr, Julie?«
    Suzanne sagte kein Wort, während wir auf die innere Stadt zuschritten. Wir gingen sehr schnell, und nicht einmal, als wir an den Modegeschäften in der Rue Cannebière vorbeikamen, blickte sie nach rechts oder links. Auf dem Rathausplatz legte sie plötzlich ihren Arm um den meinen. Ich bemühte mich, an der Guillotine vorbeizusehen. Der Platz roch wie immer nach frischen Sägespänen und getrocknetem Blut. Wir begegneten der Bürgerin Renard, die seit Jahren Mamas Hüte näht. Die Bürgerin sah sich zuerst scheu nach allen Seiten um, dann grüßte sie uns. Sie schien bereits gehört zu haben, dass ein Mitglied der Familie Clary verhaftet worden war. Im Portal des Maison Commune war großes Gedränge. Als wir versuchten, uns durchzuschieben, packte jemand Suzanne hart am Arm. Die Arme zuckte vor Schrecken zusammen und wurde ganz weiß. »Sie wünschen, Bürgerin?«
    »Wir wollen mit dem Bürger Volksrepräsentanten Albitte sprechen«, sagte ich schnell und sehr laut. Der Mann – ich hielt ihn für den Portier des Maison Commune – ließ Suzanne los. »Zweite Tür rechts.« Wir schoben uns durch die halbdunkle Einfahrt, fanden die zweite Tür rechts, machten sie auf – wildes Stimmengewirr und abscheulich dicke Luft schlugen uns entgegen. Zuerst wussten wir wirklich nicht, was wir anfangen sollten. In dem engen Warteraum standen und saßen so viele Leute herum, dass man sich kaum rühren konnte. Am entgegengesetzten Ende des Zimmers war eine kleine Tür, und vor dieser Tür hielt ein junger Mann Wache. Er war wie alle Mitglieder des Jakobinerklubs gekleidet – hoher Kragen, riesiger schwarzer Dreispitz mit Kokarde, seidener Frack mit kostbaren Spitzenmanschetten, Spazierstock unterm Arm. Einer der Sekretäre Albittes, dachte ich, nahm SuzannesHand und begann, mich mit ihr zu ihm durchzudrängen. Suzannes Hand war

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