DGB 12 - Verlorene Söhne
drehte sich zu ihr um.
»Sie ist bereits tot.« Dann sah er zu Amon und nickte knapp. »Lassen Sie den Äther
ungehindert durch sie strömen. Wir müssen alles erfahren.«
Magnus' Schildträger wandte
sich wieder der Maschine zu und drehte alle Regler und Knöpfe auf null. Die
Nadeln sackten nach unten, die Lampen erloschen, und auf den Glasscheiben der
Anzeige bildete sich eine Frostschicht. Lemuel konnte die Kälte spüren, die vom
Ende der Welt zu ihnen getragen wurde.
Kallista reagierte
augenblicklich, indem sie den Rücken durchdrückte und die Augen weit aufriss.
Gleißendes Licht trat aus ihnen hervor wie Glut aus einem Hochofen, es tauchte
den Raum in kränkliches blau-grünes Licht, das Schatten von Dingen an die Wände
warf, die sich gar nicht in diesem Krankenzimmer befanden. Das geisterhafte
Heulen von einer Million Monster entstieg ihrer Kehle, und Lemuel bemerkte den
widerwärtigen Gestank von verbranntem menschlichem Fleisch.
Rauch quoll aus Kallistas
Körper, und sogar die Astartes reagierten mit Entsetzen darauf, was mit ihr
geschah. Das Fleisch warf Blasen und schälte sich in rußgeschwärzten Flocken
von den Knochen, als hätte jemand einen unsichtbaren Flammenwerfer auf sie
gerichtet. Ihr Leib zischte und brodelte, als er allmählich auf wabernde Massen
aus kochendem Fett und Fleisch reduziert wurde.
Und die ganze Zeit über schrie
Kallista weiter und weiter.
Auch lange nachdem Herz, Lungen
und Gehirn nur noch schwarz verkohlte Klumpen waren, schrie sie immer noch. Der
Schrei bohrte sich wie eine glühende Klinge durch Lemuels Leib, die seine
Eingeweide in Stücke schnitt. Er sank auf die Knie, während sich der Schrei in
seinen Kopf weiterfraß und inzwischen so klang, als würden tausend Fingernägel
gleichzeitig über eine Schiefertafel kratzen. Auch Camille hatte zu schreien
begonnen, während sie mit der Kraft eines Schraubstocks seine Hand umklammert
hielt.
Dann war es auf einmal vorüber.
Lemuel zwinkerte die Nachbilder
weg, der Gestank nach verkohltem Fleisch brachte ihn an den Rand des
Erbrechens.
Mühsam stand er auf, während er
sich vor dem Anblick dessen fürchtete, was von Kallista noch übrig war. Zugleich
wusste er, er musste es sehen.
Verblieben waren von der
schönen Memoratorin nur die schwarzen Konturen auf dem Laken, außerdem Lachen
aus verflüssigtem Fleisch, die zähflüssig von den Bettkanten auf den Boden
tropften.
»Was haben Sie getan?«,
flüsterte er unter Tränen.
»Oh, Kallista, du armes, armes
Mädchen.«
»Wir haben getan, was wir tun
mussten«, gab Ankhu Anen zurück. »Es gibt nichts, wofür ich mich entschuldigen
müsste.«
»Nein«, widersprach Lemuel,
während er Camille hochhalf.
»Das hätten Sie nicht tun
müssen. Das war Mord, nichts anderes als Mord.«
Camille weinte wie er und
vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter.
Sie krallte sich an ihm fest
und schluchzte hemmungslos.
Ahriman streckte eine Hand nach
Lemuel aus.
»Es tut mir wirklich leid, mein
Freund.«
Lemuel wich seiner Hand aus und
ging mit Camille an ihm vorbei zur Tür. »Fassen Sie mich nicht an. Wir sind keine
Freunde mehr. Ich weiß ja nicht mal, ob wir das jemals waren.«
Fünfundzwanzig
Die Warnung
Du hattest recht
Der Sonne zu nah
MAGNUS SASS IN DER MITTE DER
SPIEGELHOHLE und ließ die schwingenden Harmonien der stummen Kristalle auf sich
wirken, um von Ruhe erfüllt zu werden. Seine Meditationen hatten zwei Nächte in
Anspruch genommen, bis er endlich innerlich ruhig genug war, um diese Reise in
Angriff zu nehmen. Er war nicht allein, denn neunhundert Leibeigene standen auf
den ihnen zugewiesenen Stellen in der Kammer. Jeder hielt einen schimmernden Kristall,
an den er seine Lebenskraft gebunden hatte.
Weitere Leibeigene konnten
nicht mehr erübrigt werden, da alle, die bei dem letzten Ritual mitgewirkt
hatten, inzwischen verstorben waren. Neunhundert waren weniger als beim letzten
Mal, und es waren vor allem weniger, als Magnus hatte haben wollen, doch es
würde genügen müssen. Schließlich blieb ihm gar keine andere Wahl.
Der Zauber, den er entwickelt
hatte, erforderte Opfer, denn allein konnte er diese Kraft nicht
heraufbeschwören, die alles bislang Dagewesene übertraf — sogar alles, was sich
in der Abgeschiedenheit seines Sanktums abspielte, und selbst jene Kräfte, die
er hatte handhaben müssen, um seine Legion von diesen grässlichen Mutationen zu
heilen.
Das Leben der Leibeigenen war
schon jetzt so gut wie verwirkt, dennoch
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