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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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    »Sie meinen also höhere Gewalt, Singular«, hakte der Versicherungsagent ungläubig nach.
    »Die Frau hat mir aber etwas anderes gesagt«, widersprach die Stimme am anderen Ende der Leitung. »›Höhere Gewalten‹, hat sie gesagt, Plural. Ich bin mir völlig sicher. Sie hat das Wort sogar buchstabiert: G-E-W-A-L-T-E-N. Was mich angeht, so halte ich mich an das, was man mir erzählt. Außerdem, was macht das schon für einen Unterschied?«
    »Nun ja …« Der Versicherungsagent hielt inne. Für einen Laien stellte das womöglich keinen großen Unterschied dar, aber wenn es um Versicherungspolicen geht, sollte man stets auf der Hut sein. Wie einem jeder Anwalt bestätigen wird, muß man beim Abschluß von Versicherungspolicen absolutes Gottvertrauen besitzen, denkt man allein an die in solchen Verträgen obligatorische Nichtleistungspflicht des Versicherers im Fall von höherer Gewalt. Wohlgemerkt im Fall von höherer Gewalt, Singular, und nicht im Fall von höheren Gewalten. Wenn es sich allerdings um einen Fall von höheren Gewalten, Plural, handelte, müßte er dann dem Antragsteller womöglich mehr als nur ein Formular schicken?
    »Sind Sie noch am Apparat?« wollte die Stimme wissen.
    »Ja, ich bin noch da«, bestätigte der Versicherungsagent, wobei er feststellen mußte, daß er seinen Bleistift bereits bis zur Hälfte abgekaut hatte. »Aber könnten wir die ganze Geschichte bitte nur noch ein einziges Mal von vorn durchgehen?«
    »Na gut«, seufzte die Stimme.
    »Ihre beiden als Haustiere gehaltenen Klapperschlangen«, begann der Versicherungsagent, »sind also irgendwie aus dem Terrarium entw …«
    »Das absolut den behördlichen Auflagen entspricht«, unterbrach ihn die Stimme. »Ich habe sogar noch die Kaufquittung und die Behördengenehmigung.«
    »Dessen bin ich mir absolut sicher. Trotzdem sind die Schlangen irgendwie daraus entwischt, dann haben sie die Hauptstraße überquert und sind das Fallrohr der Dachrinne von Hausnummer siebzehn raufgekrochen, wo sie sich in das Schlafzimmer von Missis Derrys sechs Monate altem Baby hineingeschlängelt haben, das die beiden schließlich erwürgt hat, richtig?«
    »Ja, genauso war’s.«
    »Dann hat Ihnen Missis Derry von dem Vorfall erzählt und behauptet, es habe sich um einen Fall von höheren Gewalten gehandelt, stimmt’s?«
    »Gewalten, richtig.«
    »Ich verstehe.« Der Versicherungsagent würgte plötzlich; er hatte das sich allmählich auflösende Ende des Bleistifts verschluckt, und zwar samt Radiergummi. »Also gut. Ich werde Ihnen noch heute mit der Post einen Schadensantrag schicken, aus dem bestimmt alles Weitere für uns ersichtlich wird. Einverstanden? Auf Wiederhören.«
    Er legte den Hörer auf und kniff ein paarmal die Augen zusammen. Höhere Gewalten? Schlangen? Die Geschichte stank doch zum Himmel. Seit den letzten Orkanschäden war ihm solch ein Blödsinn nicht mehr zu Ohren gekommen.
    In seinem Kopf nahm er eine äußerst feminine Stimme wahr, die ihm zwar mit Charme, aber dennoch mit sanftem Nachdruck empfahl, die Geschichte entgegen allen Widersprüchlichkeiten lieber zu glauben und Schadenersatz zu leisten.
    Der Versicherungsagent blickte sich nach hinten um, aber da war nichts. Dann stand er auf und öffnete die Tür; im Büro nebenan hielt sich auch niemand auf. Am Schluß schaute er sogar in sämtlichen Schubladen und Papierkörben nach. Nichts. In seinem Kopf fragte ihn die Stimme, was er mit diesem albernen Herumgesuche eigentlich bezwecke, dann kicherte sie.
    Zwei Monate später öffnete Mrs. Derrys schlangenbesessener Nachbar einen Brief von der Versicherung, begutachtete den Scheck, pfiff durch die Zähne und rief gleich darauf in einer Zoofachhandlung an, um sich nach deren im Sonderangebot erhältlichen Anakondas zu erkundigen.
     
    Im Garten seines Hauses grub Mr. Derry gerade ein sehr großes Loch. Hin und wieder legte er eine kurze Pause ein und blickte sich nervös nach hinten um. Seine Frau stand dort und schwieg.
    »Ich meine, ich will ja nur wissen: Von wem hat er das?« seufzte Mr. Derry, wobei er sich auf den Spaten stützte.
    Mrs. Derry murmelte irgend etwas Unverständliches vor sich hin und blickte auf den toten Bären. Zwar wurden fast die gesamte obere Hälfte des Kadavers sowie der riesige Kopf und der gewaltige Brustkorb von ihrem schönsten Federbett verdeckt, doch war die Decke nicht groß genug, um bis zu den Füßen zu reichen.
    »Außerdem ist das ja nicht gerade das erstemal gewesen, daß er so

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