Die Abschaffung der Arten
des kostspieligen Friedens zwischen Natur und Vernunft.
So lange nach der Befreiung wollten alle nur noch ihre Ruhe – Gente, überlebende Menschen, alle, die Sprache hatten. Jedenfalls dachten sie das. Denken ist aber nicht Handeln; ein Wind weiß das.
In den Blechdosen rund um die Mündungen rostiger Regenrohre kicherten Knüttelfeuerchen. Die schmalen Wölfe küßten Schwäne, streichelten ihre Federn mit feuchten schwarzen Schnauzen und schliefen bei ihnen, wenn der Mond unverschämt pink über den Dachfirsten von Kapseits stand.
Niemand hatte vor Zähnen und Krallen noch Angst; Rudimenten von Unhöflichkeiten, die während der Langeweile vielleicht ihren kriegerischen Sinn gehabt haben mochten, jetzt aber zu nichts mehr taugten. Aus Rüstung wurde schließlich Schmuck, aus Schmuck bloße Schrulle.
Dachsbataillone versahen den Wachdienst an Grenzen, die allmählich keine mehr waren.
Sie patrouillierten gemächlich in den wenigen noch unzureichend befriedeten Außenbezirken, tatzten hier hin, rügten dort. Selektion hielt den Primat auf allen Schauplätzen. Gezinkte Riechzeichen, in Pherinfonen verschlüsselt, von Interferonen und Interleukinen getragen, sprachen den neuen Staat bis ins kleinste Gesetz aus, als großen Text aller lebenden Leiber. Es entstand so eine Ordnung, die zufrieden damit war, müde vor sich hin zu glänzen.
Gelassenes Schnuppern der Gente: Was wußten eigentlich Salbei, Flieder, schwarzer Holunder, Haschisch, Urin vom Menschenerbe, was wußten Bärlauch, brennender Reifengummi, metallischer Blutgeruch? In vielen tausend Liederblüten wartete böser Spätsommer, daß seine Stunde käme.
Was dachten hier die letzten Menschen?
Die dachten, weil sie kaputte Köpfe hatten: Kann nicht sprechen. Kann nicht reden. Kann nicht tun, was Gente wollen. Kann mich nicht verstecken. Kann nicht des Löwen Meinung ändern. Muß leben mit meiner Seele, die ist innen festgenäht. Kann nicht sprechen. Kann nicht reden. Kann nicht innehalten für meine Sache, die sich dreht, die schlingert und fällt, oder für Liebe. Ich hab ihnen alles darüber gesagt, was ich zu sagen hatte. Kann nicht reden, denn ich bin bereits verloren. Kann nicht denken. Kann nicht weinen. Warte stets auf meinen Selbstmord. Es ist so schwer. Ich kann es nicht vergessen. Ich werde mich auflösen, denn ich bin bereits tot. Kann nicht denken. Kann nicht träumen. Ist mir egal, ob ich lebe oder sterbe. Sprich nicht zu mir. Kann es nicht glauben. Ich werde mich auflösen, weil ich bereits tot bin. Kann nicht denken. Kann nicht träumen. Glaub nichts von dem, was ich sehe. Ich will's nicht haben. Ich muß hier weg, oder ich werde es bereuen. Kann nicht sprechen. Kann nicht lügen. Kann nirgendwo hingehen. Kann nicht denken. Kann nicht weinen. Denke stets an einen Selbstmord. Zitat Ende, Knochenschädel, Vater Danzig, Hafen in Flammen, Nummer Vier Schwarz. Gute Nacht. Gute Nacht. Gute Nacht. Shantih Shantih Shantih.
Die öffentliche Vorbereitung auf Esprit, den höchsten Feiertag der Hunde, zog als unfertige Freude in Spruchbändern, Umzügen, kleinen Krawallen um die Häuser.
Kleinste Welpen wollten mittun, ihre bunten Augen wurden feucht. Die schlappen Ohren der Älteren zitterten in einer aufziehenden bewegten Hitze, die aus unsicherer Zukunft herüberwehte. »Apokalypse«, sagten die Pherinfone, war der Name der Stunde, aber nicht die Nachricht vom Ende der Welt, sondern die von ihrem Anfang. Noch hatte die Schöpfung gar nicht begonnen; der Löwe würde alle unterrichten, wenn es soweit wäre.
Die Welpen spielten und sangen: »Wo steckt der Fuchs? Wo ist Ryuneke Nirgendwo, Ryuneke Überall? Wo steckt der Fuchs?«
Die Eltern, die das hörten, fürchteten sich heimlich vor den Kleinen.
Viele Gente, nicht nur die Hunde, erinnerten sich lebhaft ans Lösegeld, ans Tauschverfahren, an die ganze Kriegsökonomie der ersten Befreiungszeit, ans Wirtschaften im Medium stehender Wellen zeitoffener Prozesse. Die Rechnungen waren geschrieben, der Fuchs würde früher oder später kassieren, was ihm gehörte.
Die florifaunische Zivilisation machte sich derzeit einen Widerspruch zur Hauptgrundlage ihres politischen Lebens: »Wißt ihr«, fragten die Lehrerinnen schlau, »daß gerade und krumm unter Umständen dasselbe sein können?«
Dieser Unterricht war der im Fach Geschichte.
Da kam alles auf Dokumente an.
Gesellig, aber ohne Schmus rückten auf verschwommenen Fotos der jüngsten Jahrgänge Amtsträger langsam aufeinander zu, deren
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