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Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
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sie giftig. »Wir sind seit einer halben Stunde hier. Das Thema hat sich wohl erledigt.«
    Das direkte Auftauchen in der Stadt war Mr. Phelps’ Art, ihr die Führerschaft streitig zu machen, und dass er auf einem Mittagessen bestand – auch wenn sie seit dem Morgen nichts mehr zu sich genommen hatten und nicht wussten, wann sie etwas bekommen würden –, eine weitere Möglichkeit, ihr Ungestüm zu zügeln. Sie stand draußen und musterte die dunklen Hütten, die alle aus gebrannten Ziegeln und Holzbohlen bestanden und mit Teerpappe verkleidet waren. Die Luft war auf eine Weise frisch, die sie sonst vielleicht genossen hätte, bis auf den metallischen Geschmack, der anscheinend in ganz Raaxfall herrschte. Sie sah, dass die Straße an einem Torturm endete, wie an einem Schloss aus Eisen anstatt aus Stein.
    Sie hatten in dem Wirtshaus nach Mr. Ramper gefragt, aber niemand konnte sich an ihn erinnern. Wer war in den Xonck’schen Werken? Die Bewohner der Ortschaft wussten es nicht. War über haupt jemand dort? Oh ja, man sah Lichter, mehr konnten sie jedoch nicht sagen.
    Sie blickte auf und sah, dass in den Türen rund um den heruntergekommenen Dorfplatz jetzt blasse Gesichter aufgetaucht waren. Hatten sie noch nie zuvor einen violetten Mantel gesehen? Miss Temple ging zum Fluss hinunter. Auch hier kam sie an Gesichtern vorbei, jungen und alten und solchen, die durch die Arbeit vorzeitig gealtert waren. Sie schauten sie an und kamen dann näher und folgten ihr. Wie die Bewohner von Raaxfall so in ihr Blickfeld kamen, erinnerten sie Miss Temple an Schiffsratten, die aus allen möglichen Ritzen hervorkrochen. Sie nahm den Weg zu einem besonders langen hölzernen Kai und ging ihn ganz bis ans Ende, wobei sie die Menschen hinter sich ignorierte – von denen es jetzt keiner mehr wagte, ihr zu folgen –, und blickte über das Wasser.
    Knapp hinter der Flussbiegung bekam sie einen ersten Blick auf die Xonck’sche Fabrikanlage: Hohe Ladedocks und ein Kanal, der tiefer hineinführte. Sie sah vor sich ins Wasser. Mehrere kleine Ruderboote waren an den Pfählen festgemacht.
    Ein polterndes Klong ließ sie herumwirbeln. Die Bewohner bildeten jetzt eine Mauer quer über den Pier. Ein weiteres Poltern. Ein Stein war aus der Menge geflogen. Miss Temple blickte erschrocken in die bleichen Gesichter und bemerkte den Hass auf sie – Hass . Die Tatsache traf sie wie ein Fausthieb. Ihr erster Impuls war, den Revolver zu ziehen – doch vor ihr waren hundert Seelen, wo sie nur zu fünft waren, und ein solcher Schritt würde ihre Wut rechtfertigen.
    Ein paar Gestalten drängten sich durch den Mob: Doktor Svenson, gehetzt und außer Atem, Brine und Phelps dicht dahinter.
    »Celeste – warum sind Sie zu …«
    Die drei Männer verlangsamten ihren Schritt, wobei sie sich bewusst waren, dass ihnen der Mob langsam auf den Pier hinaus folgte. Svenson erreichte sie und fragte leise:
    »Celeste – was ist passiert? Die Dorfbewohner …«
    »Papperlapapp«, brachte sie hervor. »Da unten sind Boote: Ich schlage vor, wir schnappen uns eins.«
    Mr. Brine schwang sich wie ein Affe über den Pier, womit er seinen schwerfälligen Gang Lügen strafte, packte ein Seil und ließ sich in eins der Ruderboote hinabgleiten. Mr. Phelps und Doktor Svenson zückten ihre Waffen, woraufhin der Mob in vielleicht dreißig Metern Entfernung stehenblieb.
    »Bewohner von Raaxfall«, rief Phelps, »wir sind gekommen, um herauszufinden, warum man euch die Arbeit weggenommen hat – warum die Xonck’sche Fabrik ihre Tore geschlossen hat. Wir sind hier in eurem eigenen Interesse …«
    Mit seinem städtischen Akzent hätte Phelps ebenso gut Chinesisch sprechen können; und auch Miss Temples Anwesenheit – und die eines fremdländischen Soldaten – trug nicht dazu bei, das Auftreten glaubwürdig erscheinen zu lassen. Ein weiterer Stein flog an Phelps vorbei und plumpste ins Wasser. Svenson packte Miss Temple mit beiden Armen und hielt sie über den Rand – sie quiekte erschrocken –, wo jemand sie um die Taille fasste und rasch auf einem Sitz im Bug platzierte.
    »Das Seil, Miss.« Brine wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Pier zu.
    Miss Temple zerrte an dem Knoten, der das Ruderboot mit dem Pfahl verband. Ein weiterer Stein platschte ins Wasser, dann noch drei. Phelps’ Pistole knallte, als Doktor Svenson ins Ruderboot sprang und das ganze Ding mit seinem Gewicht in Schieflage brachte.
    Von oben ertönte ein Schrei, und Mr. Phelps’ schwarzer Hut fiel ins

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