Die Ankunft
Natascha sein. Ich hatte dieses Leben gerade erst aufgenommen, es verband mich noch nicht so viel damit. Ein paar oberflächliche Bekanntschaften, eine schöne Wohnung, ein heißer Typ, der leider mit meiner Nachbarin liiert war. Doch als ich über den Wechsel nachdachte, überfiel mich grenzenlose Müdigkeit. Ich war erschöpft. Ich wollte keinen Neuanfang mehr. Ich wollte endlich einmal irgendwo bleiben. Und Sam auf der anderen Seite des Flurs war besser als gar kein Sam.
Oder?
Meine Gedanken liefen im Kreis. Auf dem Bildschirm küssten sich die Försters-Liesel und der Wildhüter, während hinter ihnen die Sonne unterging.
Ich trank meinen Kaffee aus, zog mich um und ging joggen.
So früh am Morgen war die Luft noch kalt und einigermaßen sauber. Ich joggte durch die leeren Straßen, Vereinzelt brannte schon Licht in den Wohnungen. Bald würde der Berufsverkehr einsetzen.
Rennen auf zwei Beinen war nur halb so befriedigend wie Rennen in Wolfsgestalt. Immerhin konnte ich die sündhaft teuren Laufschuhe einmal ausnutzen. Ich lief durch die Stadt, sprintete durch den Park und trabte locker durch das Bankenviertel. Ein paar hundert Jahre war ich barfuß oder mit flachen Ledertretern herumgelaufen. Meine Füße genossen den Luxus von High-Tech-Materialien und stoßabsorbierender Sohle.
Ich lief, bis der Berufsverkehr einsetzte und die Luft verpestete. Auf dem Nachhauseweg holte ich Brötchen und Hörnchen beim Bäcker um die Ecke. Dann nahm ich meinen Mut zusammen und klingelte bei Alexa.
Es verging ein bisschen Zeit, bis sie mir öffnete. Sie sah blass aus, freute sich aber, mich zu sehen.
„Magst du schon wieder etwas essen?“, fragte ich und hielt die Bäckertüte hoch. „Ich habe Brötchen.“
„Ich denke schon. Komm doch rein.“
Ich betrat ihre kleine, unaufgeräumte Wohnung mit Herzklopfen. Im Gegensatz zu meiner Penthouse Wohnung, das wie eine Abstellkammer, die zufällig noch übrig geblieben war.
Mein Geruchssinn sagte mir, dass Sam nicht mehr da war. Alexa war ganz unbefangen.
„Kochst du schon mal Kaffee? Ich hüpfe mal unter die Dusche.“
Kurz darauf saßen wir in ihrer winzigen Küche. Alexa hatte sich in einen Bademantel gewickelt, ihre Löckchen ringelten sich und glänzten nass. Sie nahm sich ein Brötchen und begann, das weiße Innere herauszuschälen.
„Wie war's gestern Abend? Sam sagte, ihr hattet Spaß?“
Für eine Sekunde stockte mir der Atem, aber sie lächelte mich ganz offen an.
„Ja. Es war eine gute Party. Gute Stimmung, viele Leute... die Band war so, na ja. Ganz gut, aber nicht total berauschend. Ich denke, man findet sie besser, wenn man die Mitglieder persönlich kennt.“
Alexa nickte und grinste.
„Samuel wollte immer in einer Band spielen, wusstest du das?“
„Nein, hat er mir nicht erzählt.“
„Das ist für ihn der Inbegriff von cool. Leider ist er so musikalisch wie ein Stock.“
„Wie tragisch...“
Ich tunkte ein Hörnchen in meinen Kaffee und biss ab.
„Wie lange seid ihr eigentlich schon zusammen?“
„Oh... lass mal überlegen... seit fast drei Jahren. Wir kommen beide aus Gießen und haben uns auf der Party eines Freundes kennengelernt. Na ja... und wir haben uns so gut verstanden, dass wir beschlossen haben, gemeinsam studieren zu gehen.“
„Warum habt ihr dann keine gemeinsame Wohnung?“
„Wollten wir eigentlich. Wir hatten zwei Zimmer in einer WG versprochen bekommen. Aber die Leute hielten sich nicht dran, und so mussten wir Knall auf Fall eine andere Bleibe finden. Diese hier war zu eng für uns zwei, aber Sam hat dann noch ein Zimmer in einer anderen WG gefunden. Es gab auch größere Wohnungen, aber die waren alle zu teuer.“
Ich nickte. Obwohl ich nicht auf das Geld achten musste, war es auch für mich nicht leicht gewesen, die für mich passenden vier Wände zu finden.
„Es hat aber auch seine guten Seiten“, sagte Alexa augenzwinkernd. „Samuel ist morgens ein echtes Ekel. Ein Langschläfer, wie er im Buche steht. Und morgens geht bei ihm bis mittags, halb eins. Da ist für mich der halbe Tag schon rum.“
„Er sieht echt gut aus.“
„Ja, das tut er. Und manchmal ist es ganz schön nervig, dass er ständig von anderen Frauen angebaggert wird. Aber damit müssen wir leben... und ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt.“
Ich nickte und bewunderte die pummelige kleine Alexa wegen ihrer Gelassenheit. Objektiv betrachtet entsprach ich viel mehr dem aktuellen Schönheitsideal als sie: groß, langbeinig,
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