Die Augen der Überwelt
leuchtete mit einer Fackel. Cugel begutachtete die Kleinode. »Ich sehe, daß alles in Ordnung ist. Ich glaube, ich werde mit einer genauen Bestandsaufnahme warten, bis ich mich von der heutigen Feier erholt habe. Aber einstweilen ...« Er trat an die Truhe mit Edelsteinen, suchte sich einige aus und machte sich daran, sie in seinen Beutel zu stecken.
»Einen Augenblick«, hielt der Hetman ihn zurück. »Ich fürchte, Ihr macht Euch unnötige Mühe. In Kürze werdet Ihr Eurem Amt entsprechend mit prächtigen Kleidern ausstaffiert werden. Die Schätze sind hier am besten aufgehoben. Ihr wollt Euch doch nicht mit dem Gewicht dieser Steine belasten oder die Gefahr des Verlusts auf Euch nehmen?«
»Eure Worte haben etwas für sich«, gestand Cugel. »Aber ich möchte die Errichtung eines Hauses am See in Auftrag geben, und ich benötige die Mittel zur Begleichung der Baukosten.«
»Alles zu seiner Zeit. Mit dem Bau kann wohl kaum begonnen werden, ehe Ihr Euch nicht die Gegend angesehen und den geeigneten Platz für Euer Haus ausgesucht habt.«
»Wie recht Ihr habt. Ich sehe schon, ich werde sehr beschäftigt sein. Also denn – zurück zur Schenke. Meine Braut ist wohl übertrieben sittsam, doch nun will ich keinen weiteren Aufschub dulden!«
Aber bei ihrer Rückkehr war Marlinka nicht zu finden. »Zweifellos ist sie gegangen, um sich in verführerische Gewänder für Euch zu hüllen«, meinte der Hetman. »Habt Geduld!«
Cugel kniff verärgert die Lippen zusammen, und sein Unmut wuchs, als ihm auffiel, daß auch der junge Jäger nicht mehr zu sehen war.
Das Fest aber ging vergnügt weiter, und nach vielen Trinksprüchen drehte sich alles in Cugels Kopf, und schließlich mußte man ihn in sein Gemach tragen.
Früh am Morgen klopfte der Hetman an die Tür und trat auf Cugels »Herein« ein. »Wir müssen uns nun zum Wachtturm begeben«, erklärte der Hetman. »Mein Sohn bewachte Vull die vergangene Nacht, da die Sitte ständige Wachsamkeit fordert.«
Mißmutig kleidete Cugel sich an und folgte dem Hetman in die kalte Morgenluft. Sie schritten zum Wachtturm, und Cugel staunte sowohl über seine Höhe als auch die klarlinige Einfachheit seiner Bauweise. Fünfhundert Fuß ragte der schmale Stiel als Träger des Kuppelbaus in den Himmel.
Eine Strickleiter war der einzige Zugang. Der Hetman begann, sie emporzuklettern, und Cugel mußte ihm wohl oder übel folgen. Doch so sehr schwankte die Leiter, daß ihm übel wurde. Sie erreichten die Kuppel ohne Zwischenfälle, und des Hetmans müder Sohn verließ sie. Cugel mußte feststellen, daß sie weit weniger gemütlich und bequem eingerichtet war, als er erwartet hatte, ja fast karg. Darauf wies er den Hetman hin, der ihm versicherte, daß alle Mängel schnell behoben werden könnten. »Sagt, was Ihr gern hättet, und Ihr werdet es bekommen!«
»Nun denn: ich möchte einen dicken Teppich, Grün- und Goldtöne wären genau das richtige. Dann brauche ich ein schöneres und breiteres Bett als diese armselige Lagerstatt, die ich da an der Wand sehe, denn meine junge Frau Marlinka wird viel Zeit mit mir hier verbringen. Dorthin muß eine Truhe voll von Edelsteinen und anderen Kleinodien; dahin ein Schränkchen mit Naschwerk; und hierher ein Kästchen mit wohlriechenden Ölen und duftenden Salben. Auch ein Tischchen mit Eisfach zum Kühlen von Weinen darf nicht vergessen werden.«
Der Hetman versprach, sich um alles zu kümmern. »Doch nun muß ich Euch in Eure Pflichten einweisen. Sie sind jedoch so simpel, daß es keiner großen Worte bedarf. Kurz gesagt: Ihr müßt nach Magnatz Ausschau halten.«
»Das ist mir klar. Doch wieder bedrängt mich der Gedanke: Um zufriedenstellende Arbeit leisten zu können, müßte ich wissen, wonach ich Ausschau halten soll. Magnatz könnte ungehindert die Uferpromenade entlangspazieren, wenn ich nicht in der Lage bin, ihn zu erkennen. Wie sieht er denn aus?«
Der Hetman schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Seine Beschreibung ging im Lauf der Äonen verloren. Die Sage berichtet bloß, daß er von einem Zauberer überlistet, betrogen und fortgeschafft wurde.« Der Hetman trat an ein Fenster. »Seht her, dies ist ein Fernglas. Mit seiner Hilfe könnt Ihr Fernes nah erscheinen lassen. Ihr könnt es in jede beliebige Richtung lenken. Vielleicht wollt Ihr Euch hin und wieder die weitere Umgebung ansehen? Dort ist der Temus, der höchste Berg der Gegend. Ihm zu Füßen liegt der Vullsee, der seiner Strudel wegen nicht schiffbar ist. In
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