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Die Augen der Überwelt

Die Augen der Überwelt

Titel: Die Augen der Überwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Fischer von Vull entfernten sich kaum mehr als eine Kahnlänge vom Ufer. Cugel lernte alle Bürger und ihre Gewohnheiten kennen. Marlinka, seine treulose Angetraute, überquerte den Hauptplatz häufig, doch selten warf sie einen Blick zum Turm hoch. Cugel wußte, in welchem Haus sie wohnte, und richtete das Fernglas fast ständig darauf. Wenn sie mit dem jungen Jäger tändelte, tat sie es vorsichtig, und Cugels finsterster Argwohn fand nie eine echte Bestätigung.
    Das Essen wurde mit der Zeit auch nicht besser, und manchmal vergaß man, ihm überhaupt eine Mahlzeit zu schicken. Firx wurde immer ungehaltener – und Cugel verzweifelter. Kurz nach Sonnenuntergang, nach einer besonders schmerzhaften Ermahnung Firxens, blieb Cugel plötzlich mitten im Schritt stehen. Den Turm hinunterzugelangen war so einfach! Warum nur hatte er so lange gebraucht, auf diesen Gedanken zu kommen? Cugel, der Schlaue, ha!
    Alles, was im Turm aus Stoff war, riß er in Streifen und flocht daraus einen zwanzig Fuß langen Strick. Nun mußte er warten, bis es still wurde in der Stadt.
    Als Firx ihn wieder peinigte, rief Cugel: »Gib Frieden, Stacheltier! Heute nacht verlassen wir diesen Turm! Deine Ermahnungen sind überflüssig!«
    Firx beruhigte sich spürbar, und Cugel spähte hinunter auf den Hauptplatz. Die Nacht war kalt und nebelig, gerade richtig für seine Zwecke, und die Bürger von Vull schienen früh zu Bett zu gehen.
    Vorsichtig zog Cugel das Seil hoch, mit dem man ihm sein Essen schickte. Er nahm es doppelt und legte es noch einmal zusammen, so daß es stark genug sein mußte, sein Gewicht zu tragen. Dann knüpfte er eine Schlinge an ein Ende, das andere befestigte er an der Flaschenzugrolle. Nach einem letzten Blick auf den Horizont ließ er sich an dem Seil hinunter. An seinem Ende setzte er sich in die Schlinge, wo er etwa vierhundert Fuß über dem Hauptplatz baumelte. Nun band er als Gewicht einen Schuh ans Ende seines selbstgeflochtenen Stricks, und nach mehreren Würfen gelang es ihm, eine Schlinge um den Turmpfeiler zu legen. Vorsichtig zog er sich daran näher. Mit größter Behutsamkeit schlüpfte er aus der Schlinge des Essenseils und benutzte die um den Schaft als Bremse, um sich langsam hinunterzulassen. Unten angekommen, drückte er sich in die Schatten und zog seine Schuhe wieder an. Gerade, als er sich wieder aufrichtete, taumelte Hylam Wiskode betrunken aus der Schenke. Cugel grinste freudlos und folgte dem Torkelnden in eine Seitenstraße.
    Ein Schlag auf den Hinterkopf genügte, den Hetman in den Straßengraben zu befördern. Sofort warf Cugel sich auf ihn und befreite ihn mit geschickten Fingern von seinen Schlüsseln.
    Damit öffnete er das Schatzhaus, wo er einen Sack mit Edelsteinen und anderen Kleinodien füllte.
    Auf die Straße zurückgekehrt, schleppte Cugel den Sack zu einer Anlegestelle am Seeufer und versteckte ihn unter einem Fischernetz. Nunmehr begab er sich zu Marlinkas Haus, fand ein offenes Fenster und stieg ein, geradewegs in ihre Schlafkammer.
    Mit seinen Händen um ihren Hals erwachte das Mädchen. Als sie schreien wollte, schnürte er ihr die Luft ab. »Ich bin es«, zischte er. »Cugel, dein Gatte. Steh auf und komm mit mir! Ein Laut von dir wird dein letzter sein!«
    Furchterfüllt gehorchte Marlinka. Auf Cugels Geheiß warf sie sich einen Umhang über die Schulter und schlüpfte in Sandalen. »Wohin willst du mit mir?« flüsterte sie zitternd.
    »Das wirst du schon sehen. Komm jetzt – durch das Fenster. Und keinen Laut!«
    Draußen im Dunkeln warf Marlinka einen schreckerfüllten Blick auf den Turm. »Wer hält Wache? Wer beschützt Vull vor Magnatz?«
    »Niemand«, antwortete Cugel. »Der Turm ist unbesetzt.«
    Ihre Knie gaben nach, und sie sackte zu Boden. »Auf!« befahl Cugel. »Wir müssen weiter!«
    »Aber niemand hält Wache! Damit wird der Zauber nichtig, den der Hexer über Magnatz wirkte. Und Magnatz schwor zurückzukehren, sobald die Wachsamkeit nachläßt!«
    Cugel zerrte das Mädchen auf die Füße. »Das geht mich nichts an. Ich weise die Verantwortung von mir. Habt ihr mich nicht bitter getäuscht? Mich hereingelegt? Wo blieben die versprochenen Bequemlichkeiten? Wo das köstliche Essen? Und du, meine Angetraute – wo bliebst du?«
    Marlinka schlug schluchzend die Hände vors Gesicht, und Cugel zog sie am Ellbogen zum Anlegeplatz. Er holte einen der Fischerkähne heran, befahl ihr hineinzuklettern und warf seinen Sack in das Boot.
    Nun löste er den Strick, mit dem es

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