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Die Bäckereiüberfälle

Die Bäckereiüberfälle

Titel: Die Bäckereiüberfälle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami , Kat Menschik
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Herrliche Phraseologie, perfekte Rhetorik, tragender Bariton … alle klatschten, Applaus, Applaus. Danach gingen die Croissants aufs Podium und redeten irgendeinen Unsinn bezüglich Verkehrsampeln. Linksabbieger fahren bei grünem Licht für den Geradeausverkehr langsam vor und biegen erst ab, nachdem sie sich vergewissert haben, dass kein Gegenverkehr herrscht. Etwas in der Art. Das römische Volk wusste nicht recht, wovon die Rede war, klatschte aber, denn es hörte sich kompliziert an: Applaus, Applaus. Der Beifall für die Croissants war ein bisschen lauter. Und der Krapfen wurde wieder zurückgelegt.
    Auf Tantchens Tablett herrschte nun Perfektion von extremer Simplizität: zwei Croissants.
    Und dann verließ Tantchen die Bäckerei.
    Nun waren wir an der Reihe.
    »Wir haben Hunger wie verrückt«, gestand ich dem Bäcker, das Messer immer noch hinter dem Rücken verborgen. »Und keinen Heller.«
    »Aha«, nickte der Bäcker.
    Auf der Theke lag ein Nagelknipser; mein Kumpel und ich starrten ihn unverwandt an. Er war von so gigantischen Ausmaßen, dass man damit die Krallen eines Geiers hätte stutzen können. Wahrscheinlich ein Scherzartikel.
    »Wenn ihr solchen Hunger habt, dann esst Brot«, sagte der Bäcker.
    »Wir haben aber kein Geld.«
    »Ich hab’s gehört«, sagte der Bäcker gelangweilt. »Geld brauch ich keins, esst, so viel ihr wollt.«
    Ich sah noch einmal auf den Nagelknipser. »Hören Sie, wir führen Böses im Schilde.«
    »Genau!«
    »Und können Almosen deshalb nicht nehmen.«
    »Richtig.«
    »Verstehen Sie?«
    »Verstehe«, sagte der Bäcker und nickte wieder. »Machen wir’s also folgendermaßen: Ihr esst Brot, so viel ihr wollt, und ich verfluche euch dafür. Einverstanden?«

    »Verfluchen? Wie zum Beispiel?«
    »Ein Fluch bringt ständige Ungewissheit. Im Gegensatz zu einem Fahrplan beispielsweise.«
    »Moment mal«, warf mein Kumpel ein, »das gefällt mir nicht. Fluch? Nein danke. Wir legen dich um, und basta!«
    »Halt, halt«, sagte der Bäcker. »Umgebracht will ich nicht werden.«
    Mein Kumpel: »Und ich nicht verflucht.«
    Ich: »Irgendeinen Tausch brauchen wir aber.«
    Eine Weile starrten wir schweigend den Nagelknipser an.
    »Ich hab’s«, begann der Bäcker schließlich. »Mögt ihr Wagner?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Hilfe«, sagte mein Kumpel.
    »Mögt ihn, und ich gebe euch Brot!«
    Das war die Story vom Missionar und den Eingeborenen, in Reinkultur, aber wir gingen sofort darauf ein. Besser als ein Fluch war es allemal.
    »Ich mag ihn«, sagte ich.
    »Klar, gute Musik«, sagte mein Kumpel.
    Und dann hörten wir Wagner und stopften uns mit Brot voll.
    »›Tristan und Isolde‹«, las uns der Bäcker vom Kassettenbegleittext vor, »der leuchtende Stern am Himmel der Musikgeschichte, erschien 1859, ein zum Verständnis des späteren Wagner unerlässliches Schlüsselwerk.«
    »Mmhmmhmm.«
    »Mampf.«
    »Tristan, Neffe des Königs von Cornwall, will die Verlobte seines Oheims, Prinzessin Isolde, heimführen, verliebt sich jedoch auf dem Schiff während der Heimreise selbst in sie. Das wunderschöne Cello- und Oboen-Thema der Eröffnung symbolisiert die Liebe der beiden.«
    Zwei Stunden später schieden wir voneinander, allseits zufrieden.
    »Morgen hören wir ›Tannhäuser‹«, sagte der Bäcker.
    Zu Hause angekommen, war das Nichts in uns völlig verschwunden. Und sachte, wie auf einem sanften Hang ins Rollen gebracht, setzte die Fantasie wieder ein. Klick.



Ob die Entscheidung, meiner Frau von dem Überfall auf die Bäckerei zu erzählen, richtig war oder nicht, weiß ich immer noch nicht genau.
    Vermutlich ist das eine Frage, die sich nicht einfach als richtig oder falsch beantworten lässt. Schließlich gibt es in der Welt falsche Entscheidungen, die richtige Ergebnisse, und auch richtige Entscheidungen, die falsche Ergebnisse zur Folge haben. Um solcher, nennen wir es ruhig: Absurdität zu entgehen, muss man sich auf den Standpunkt stellen, dass man in Wahrheit nichts, aber auch nichts entscheidet, und im Großen und Ganzen denke und lebe ich danach. Was geschieht, das geschieht, und was nicht, eben nicht.
    Von solcher Warte aus gesehen ist zu sagen, dass ich meiner Frau auf jeden Fall und wie auch immer von dem Überfall erzählte. Erzählt ist erzählt, und der Zwischenfall, der sich daraus ergab, hat sich bereits ergeben. Wenn er manch einem seltsam erscheinen mag, so ist der Grund dafür meines Erachtens in der ihn einschließenden Gesamtsituation zu suchen.
    Aber

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