Die Bäckereiüberfälle
wussten sie natürlich nicht, und ich hatte nicht die Absicht, es ihnen eigens mitzuteilen.
Während die drei die Hamburger zubereiteten und ich sie dabei überwachte, das Gewehr auf den Bratrost gerichtet, schaute meine Frau zu den Gästeplätzen oder beschäftigte sich damit, die Anzahl der fertigen Hamburger zu zählen. Die in das Papier eingeschlagenen Hamburger packte sie ordentlich in Papiertragetaschen. In eine Papiertragetasche gingen fünfzehn Big Mäc.
»Warum tun Sie das nur?«, sagte das Mädchen zu mir. »Sie können doch mit dem Geld fliehen und sich damit alles kaufen, was Ihnen schmeckt. Dreißig Big Mäc essen, wozu soll das denn gut sein?«
Ich wiegte nur den Kopf.
»Uns tut es ja auch leid, aber eine Bäckerei war nicht auf«, erklärte meine Frau dem Mädchen. »Wenn eine auf gewesen wäre, hätten wir schon eine richtige Bäckerei überfallen.«
Diese Erklärung bot zwar, wie mir schien, nicht den geringsten Anhaltspunkt zum Verständnis der Lage, aber sie fragten jedenfalls nicht weiter, brieten schweigend das Fleisch, steckten es in die Brötchen und schlugen die in Papier ein.
Als die dreißig Big Mäc in den zwei Papiertragetaschen verstaut waren, bestellte meine Frau bei dem Mädchen zwei große Cola und legte ihm das Geld dafür hin.
»Außer den Brötchen wollen wir nichts stehlen«, erklärte sie. Das Mädchen vollführte eine komplizierte Kopfbewegung, die sowohl ein Nicken als auch ein Kopfschütteln hätte sein können. Vielleicht hatte sie beide Bewegungen gleichzeitig ausführen wollen.
Irgendwie konnte ich sie sogar verstehen.
Dann zog meine Frau Paketschnur aus der Tasche – sie hatte einfach alles dabei! – und fesselte die drei geschickt an einen Pfeiler, gerade so, als nähte sie Knöpfe an. Die drei hatten wohl eingesehen, dass alles Reden umsonst war, und verharrten in Schweigen. Auch als meine Frau fragte, ob es weh tue oder ob sie vielleicht zur Toilette müssten, sagten sie kein Wort. Ich wickelte das Gewehr in die Decke, meine Frau nahm in jede Hand eine der Tragetaschen mit dem McDonald’s-Emblem, und durch einen Spalt im Gitter gelangten wir nach draußen. Auch zu diesem Zeitpunkt schliefen die beiden an dem Plastiktisch noch fest wie Tiefseefische. Ich fragte mich, was in aller Welt wohl ihren kernigen Schlaf würde stören können.
Nach etwa einer halben Stunde Fahrt parkten wir den Wagen auf dem Parkplatz irgendeines Hochhauses, stürzten uns auf die Hamburger und tranken Cola dazu. Ich schickte insgesamt sechs Big Mäcs in Richtung jener Höhle im Magen, meine Frau aß vier. Trotzdem lagen noch zwanzig im Fond. Beim Einsetzen der Morgendämmerung war der intensive Hunger, von dem wir geglaubt hatten, dass er ewig anhalten würde, verschwunden. Die ersten Strahlen der Sonne färbten die schmutzige Fassade des Hochhauses purpurn und ließen einen riesigen Anzeigenturm mit »Sony Beta Hifi«-Werbung grell aufscheinen. Vogelgezwitscher war zu hören und gelegentlich das Brummen vorbeirauschender Fernlaster. Im Far East Network lief Country Music. Wir teilten uns eine Zigarette. Als wir sie geraucht hatten, lehnte meine Frau sanft den Kopf an meine Schulter.
»Sag mal, war das wirklich nötig?«, fragte ich sie noch einmal.
»Natürlich«, antwortete sie. Dann seufzte sie einmal tief und schlief ein. Ihr Körper war leicht und weich wie der einer Katze.
Als ich allein war, lehnte ich mich aus dem Boot und schaute auf den Meeresgrund, aber der Vulkan war nicht mehr zu sehen. Die Wasseroberfläche spiegelte ruhig das Blau des Himmels, nur kleine Wellen nippten an den Außenplanken des Bootes, sacht wie ein im Winde schaukelnder Seidenpyjama.
Ich legte mich der Länge nach ins Boot, schloss die Augen und wartete, dass die Flut mich trüge, wohin ich gehöre.
Drei dem Buch entnommene Bildmotive liegen als großformatige Originalgrafiken vor. Die auf 40 Exemplare limitierte, nummerierte und handsignierte Edition ist im Siebdruckverfahren zweifarbig von Hand gedruckt und im Format 39 x 58 cm erhältlich.
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LESEN SIE VOM SELBEN AUTOR:
Haruki Murakami
Schlaf
Illustriert von Kat Menschik
Aus dem Japanischen von Nora Bierich
80 Seiten, gebunden/broschiert, auch als E-Book
ISBN 978-3-8321-8598-5
»Es ist der siebzehnte Tag ohne Schlaf.« So beginnt Haruki Murakamis Erzählung von einer Frau, die nachts kein Auge mehr zumacht. Spätabends, wenn ihr Mann und ihr Sohn im Bett liegen, beginnt sie
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