Die Beschützerin
Führungskraft. Und erst seit drei Jahren im Sender. Aber du fällst auf. Du hörst zu, du förderst deine Leute. Dein Team vertraut dir blind. Lehner beeindruckt das.« Sein Ausdruck wurde ernst, er senkte die Stimme. »Aber ich warne dich, Janne. Gunter von Hirten wird â¦Â«
Wie aus dem Erdboden gewachsen stand auf einmal Vanessa Ott neben mir. »Entschuldigung, ich wollte nicht stören.«
»Ich muss los. Wir bleiben in Kontakt«, sagte Oderthal, bevor ich die beiden einander vorstellen konnte. Er schnappte sich seine Jacke von einer Stuhllehne und verlieà den Raum.
Vanessa Ott blickte ihm nach. »Ein beeindruckender Mann. Er wirkt so integer.«
»Ja, er wird von allen sehr geschätzt. Ich konnte mich immer an ihn wenden, wenn ich Rat brauchte. Er wird mir fehlen.«
Vanessa Ott zog die Augenbrauen hoch. »Auf mich wirken Sie nicht so, als ob Sie den Rat von alten Männern nötig hätten.« Sie lachte auf. »Auf jeden Fall danke, dass Sie mich mit zu dem Empfang genommen haben, es war sehr interessant.«
»Gerne.«
Wir gingen zum Aufzug.
So was Blödes, dass Vanessa Ott uns ausgerechnet in diesem Moment unterbrochen hatte. Oderthals Andeutung hörte sich ja fast so an, als dächte Lehner über meine Beförderung nach. Aber warum hatte er mich vor meinem Chef gewarnt? Was hatte er mir sagen wollen? »Gunter von Hirten wird â¦Â«? Von Hirten hatte keinen guten Stand, und vermutlich ahnte auch er das bereits. Ich fröstelte plötzlich. Das konnte die Erklärung für sein abweisendes Verhalten in den letzten Wochen sein. Er fürchtete mich als Konkurrentin. Stand auch die plötzliche Dienstreise damit in Zusammenhang? Wollten die Bosse ihn aus dem Weg haben? Vielleicht war die Zusammenarbeit mit Bloomsdale eine Art Eignungstest für mich. Was hatte Lucy Reeves gesagt? »Betrachte es als Chance.«
Der Aufzug kam, und wir gingen hinein. Vanessa Ott warf einen Blick in den Wandspiegel. Ihr sorgfältig geschminktes Gesicht war durchscheinend blass. Ich hätte einiges dafür gegeben, ihre Gedanken lesen zu können.
Ob sie in die internen Vorgänge eingeweiht war? Wusste sie von den angeblichen harten Einschnitten beim Smiling Kids Day? Vielleicht gab es längst eine festgelegte Marschrichtung beim Bloomsdale-Team, und die scheinbar objektive Begutachtung meiner Statistiken und Tabellen war nur vorgeschoben.
»Das Buffet sah gut aus«, sagte sie. »Aber ich bin nicht dazu gekommen, etwas zu essen. Was meinen Sie, wollen wir nicht auf einen Sprung ins Nice Place rübergehen?«
»Das wäre wirklich toll, nur leider kann ich jetzt nicht weg«, sagte ich. »Jeden Moment kommt Paul York, der Modedesigner. Er will uns die neue Hostessenkollektion zeigen.«
»Hostessenkollektion? Für so etwas hat der Sender Geld?«, fragte Vanessa Ott.
Ich war sofort auf der Hut. Sie war da, um nach Einsparpotenzial zu suchen. »Die Sachen sind zu abgetragen bei fast hundert Einsätzen im Jahr.«
»Das kann ich mir vorstellen. Darf ich mir die Kollektion mal ansehen? Von Mode verstehe ich etwas.«
Sie hatte nicht vor, mich aus den Augen zu lassen.
Als sich die Aufzugtür öffnete, hörten wir ausgelassenes Geplapper auf dem Gang. Heike, Evelyn und Britta rollten voll behängte Kleiderstangen in den Besprechungsraum. Meine Mitarbeiterinnen liebten es, Paul Yorks neue Kreationen selbst anzuprobieren. Sie wussten auch, dass Paul oft Musterstücke verschenkte.
»Ich komme gleich nach«, sagte Vanessa Ott und bog auf die Damentoilette ab.
Ich begrüÃte Paul, der sich mit einem Notebook an einem der Tische niedergelassen hatte. Er stand auf und klatschte in die Hände. »Okay, wo sind meine Topmodels?«, rief er mit seinem amerikanischen Akzent.
»Die Sachen sind so schön, aber die GröÃen sind mal wieder eine Herausforderung«, seufzte Heike, die gegen überschüssige Pfunde ankämpfte, seit ich sie kannte.
»Michaela wird sich schwarz ärgern, dass sie Paul verpasst«, meinte Evelyn.
Pauls Blick wanderte kritisch über Heikes Hüfte hinüber zu Evelyns Beinen. »Komm her, Schatz, versuch mal, ob dieser Rock passt. Und die Jacke hier.« Er drückte Evelyn einen Bügel in die Hand. In diesem Moment kam Vanessa Ott in den Raum.
»Na, wer sagt es denn, das ist ein Model!«
Paul hielt Vanessa Ott für eine meiner
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