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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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Ordnung?«
    Â»Sicher, mir ist nur …« Sie stützte sich an der Wand ab. »Mir ist ein bisschen schwindelig.«
    Â»Kommen Sie in mein Büro. Setzen Sie sich erst mal hin. Ich hole Ihnen einen Schluck Wasser.«
    Â»Nein, nicht nötig. Aber … ich sollte vielleicht etwas essen.« Ihre Augen leuchteten auf. »Was halten Sie davon? Wir beide nutzen jetzt die Gelegenheit und gehen ins Nice Place .«
    Gregor war bestimmt auf dem Weg zu mir. Oder er saß schon auf meinem Sofa und wartete. Und ich hatte nicht mal was zum Kochen eingekauft.
    Â»Ich fürchte, leider muss ich …«, setzte ich an, doch sie unterbrach mich.
    Â»Nein, nicht schon wieder einen Aufschub! Ihren Fleiß in allen Ehren, aber Sie haben versprochen, mir das Nice Place zeigen.«
    Ich lächelte entschuldigend. »Ich habe einen privaten Termin.«
    Â»Und wenn Sie ihn verschieben? Mir zuliebe? Ich esse schrecklich ungern allein.«
    Für einen Augenblick war ich sprachlos. Sie hatte mich fast den ganzen Tag begleitet. Es war mir nicht unangenehm gewesen, auch wenn ich es ungewöhnlich gefunden hatte. Aber nun begann mein Privatleben. Ich wollte höflich, aber bestimmt ablehnen. Doch etwas in Vanessa Otts Blick hielt mich zurück. Ich erkannte, dass sie nicht einfach einen Wunsch geäußert hatte. Es war ein freundlich verpackter Befehl gewesen.
    Sie hob die Hände. »Nein, bitte vergessen Sie’s einfach. Das war grad nur so eine spontane Idee. Ich habe volles Verständnis, wenn Sie keine Zeit haben. Ich kann wirklich allein ins Nice Place gehen. Ich bin ja ein großes Mädchen.« Sie lächelte. »Es ist doch hier gegenüber, nicht?« Doch ihre Augen sagten das Gegenteil: Komm mit, sagten sie, wenn du mich nicht enttäuschen willst.
    Nun konnte ich mir also aussuchen, wen ich verärgern wollte. Gregor hasste es, wenn ich unzuverlässig war. Er hatte es oft erlebt, und immer war der Job schuld gewesen. Aber ich kannte Gregor gut genug, wusste, wie er tickte. Ich konnte ihm meine Verspätung erklären, und er würde es trotz aller Verärgerung verstehen. Aber Vanessa Ott kannte ich nicht. Vielleicht würde sie mich kein weiteres Mal fragen. Und wenn ich mitging, konnte ich den ersten Tag mit den Unternehmensberatern so richtig erfolgreich zu Ende bringen. Ich musste ja nicht ewig bleiben. In eineinhalb Stunden konnte ich zu Hause sein.
    Das ungute Gefühl blieb. Ob Gregor so lange warten würde?
    Â»Gut, ich komme mit. Ich muss aber kurz telefonieren.«
    Â»Prima. Ich fahre schon nach unten.«
    Ich ging in mein Büro und wählte Gregors Handynummer, aber er ging nicht dran. Ich sprach ihm auf die Mailbox, dass ich mich leider verspäten würde. Bei mir zu Hause sprang ebenfalls nur der Anrufbeantworter an. Ich hinterließ auch dort meine Entschuldigung und hoffte, dass Gregor eine meiner Nachrichten bald abhörte.
    Â»Sie haben vorhin ausgesehen wie ein Profi auf dem Laufsteg. Woher können Sie das so gut? Waren Sie mal Model?«, fragte ich Vanessa Ott, als wir im Nice Place saßen.
    Die Frage, die mich weitaus mehr interessiert hätte, lautete: Wer war der Fremde in der dunkelblauen Jacke? Und worüber war, nach seinen Worten, genug »Gras gewachsen»?
    Sie lächelte. »Ich hab es zum ersten Mal versucht.«
    Â»Das ist ja unglaublich! Dafür müssen andere hart trainieren.«
    Â»Es kommt auf die innere Einstellung an. Ich habe mir vorgestellt, es wäre mein Beruf. Alles nur Konzentration und Selbstkontrolle.«
    Die Kellnerin kam und brachte zwei Gläser mit Weißwein.
    Â»Danke.« Vanessa Ott nahm ihr Glas. »Ich musste sehr früh auf eigenen Füßen stehen, vielleicht liegt es daran, dass ich mich auf Unbekanntes schnell einstellen kann.«
    Ich vermied es, sie direkt anzusehen. Das Thema war eindeutig privates Terrain.
    Â»Ich rede nicht gerne über meine Vergangenheit«, fügte sie hinzu.
    Â»Das kann ich verstehen«, sagte ich freundlich.
    Â»Aber bei Ihnen hab ich so ein vertrautes Gefühl.« Sie lachte verlegen. »Ich habe meine Mutter früh verloren. Sie hat sich umgebracht, als ich zwölf war.«
    Schockiert sah ich sie an. »Das tut mir leid.«
    Â»Na ja, das ist lange vorbei.« Sie blickte auf einen entfernten Punkt im Raum, wirkte kurz abwesend. »Manchmal sehe ich sie ganz klar vor mir, und an anderen Tagen kann ich mich nicht mehr an ihr

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