Die Braut des Vagabunden
Fundament stellen wollte, dann brauchte sie jeden Handel, den sie abschließen konnte.
Wo war der Gentleman, dessen Diener sie hergebracht hatte, um auf seinen Herrn zu warten? Sie unterdrückte den Wunsch, nach dem Sänger zu sehen, und versuchte stattdessen herauszufinden, wo sich der Wirt aufhielt.
Am anderen Ende des Schankraums wurde eine Tür aufgerissen. Temperance konnte nicht erkennen, wer herauskam, aber dann hörte sie jemanden rufen: „Wo zum Teufel ist der Tuchhändler, nach dem ich geschickt habe?“
Temperance bahnte sich den Weg zu dem noch immer unsichtbaren Kunden. Als sie näher kam, erkannte sie, dass er gerade aus einem angrenzenden Raum kam und mindestens zwei Zoll kleiner war als sie.
Als sie vor ihm stehen blieb, sah er sie misstrauisch an.
„Ich wollte einen Tuchhändler, keine übergroße Dirne“, sagte er.
Temperance unterdrückte eine ärgerliche Antwort. Sein Erscheinungsbild war mindestens so wenig ansprechend wie ihres. Eigentlich sogar noch schlimmer. Es stimmte, sie war außergewöhnlich groß und keine auffallende Schönheit, aber zumindest war sie nüchtern, gepflegt und beleidigte nicht wissentlich Fremde.
„Ich bin der Tuchhändler“, sagte sie kühl. „Euer Diener sagte, Ihr braucht Leinen und Musselin.“
„Ihr habt so etwas?“ Aus rot geränderten Augen blickte er auf das Bündel unter ihrem Arm. „Zeigt her.“ Er ging zurück in den angrenzenden Raum, und ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Sie legte keinen besonderen Wert darauf, ihre Geschäfte in der Öffentlichkeit zu tätigen, genauso wenig gefiel ihr allerdings die Vorstellung, mit diesem Flegel vornehmer Abkunft allein zu sein – aber als sie den Raum betrat, sah sie, dass ein Freund bei ihm war.
„Hat das verdammte Gejaule endlich aufgehört, Tredgold?“, fragte der andere Mann.
Bei dieser Beleidigung des Musikers bebte Temperance vor Empörung. Gejaule? Mochte der Musikant mit den dunklen Augen auch arrogant sein wie der Teufel selbst, so besaß er doch die schönste Stimme, die sie je gehört hatte, und sein Spiel war bemerkenswert.
„Gebt mir das Leinen.“ Tredgold entriss ihr das Bündel mit Waren und wickelte es aus.
„Seid vorsichtig!“, protestierte Temperance noch, ehe der Musselin zu Boden fiel.
Der Kunde beachtete weder sie noch den Musselin. Er schüttelte das Leinen aus und wickelte es sich um den Kopf. Ungläubig sah Temperance zu, wie er die Arme ausbreitete und hin und her schwenkte. Schließlich begann er, zu stöhnen und zu seufzen. „Ooooh – aahhhh – ooh!“
Einen Moment lang starrte der Freund ihn mit offenem Mund an, dann umklammerte er seinen Kopf und kauerte sich auf seinem Stuhl zusammen.
„Oh! Oh, ich habe solche Angst. Oh, mein armes Herz! Oh, ich bin tot!“ Bei dem letzten dramatischen Ausruf ließ er sich zur Seite fallen und verschwand hinter dem Tisch und damit aus ihrem Blickfeld.
Beunruhigt und verwirrt, schlug Temperance das Herz schneller. Einen Moment lang glaubte sie, er wäre wirklich tot, dann erkannte sie, dass er auf einer hochlehnigen Bank gesessen hatte. Darauf hatte er sich einfach zur Seite fallen lassen. Jetzt lag er da und lachte, als hätte er den Verstand verloren.
„Glaubst du, es wird gehen?“, fragte Tredgold.
„Der alte Bock könnte vor Lachen sterben – aber nicht vor Furcht“, erwiderte sein Freund und setzte sich wieder auf. „Wer hat je von einem Geist mit braunen Samtarmen gehört? Wenn du dich ausziehst und dir das Leinen umwickelst, dann könntest du so tun, als wärest du aus dem Grab auferstanden. Das könnte gehen.“
„Hmm.“ Tredgold warf das Leinen über den Tisch, wo es sich mit verschüttetem Wein vollsaugte, und zog seinen Überrock aus. Einen entsetzlichen Moment lang fürchtete Temperance, er würde sich ganz entkleiden, aber zu ihrer Erleichterung schien er sich damit zufriedenzugeben, sein Experiment in Hemdsärmeln und Hose durchzuführen. In unordentlichen Falten schlang er sich das Leinen um den Körper.
„Gebt mir den Musselin, Weib“, befahl er und deutete auf die Stelle, wo der Stoff am Boden lag.
Temperance reichte ihm das Gewünschte und trat eilig zurück. Er wickelte ihn sich um den Oberkörper und wandte sich wieder dem Freund zu. „Was meinst du?“
„Ich habe noch niemals einen Toten in Rosa gesehen“, sagte der Freund und betrachtete die Weinflecke auf dem Leinen und dem Musselin.
„Das ist natürlich Blut“, erklärte Tredgold ungeduldig.
„Nicht in
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