Die Braut des Wuestenprinzen
Weltanschauung passt“, antwortete Elenor.
„Buchhandlungen, Bibliotheken, Zeitungsverlage, staatliche Bildungseinrichtungen und Orte, wo Frauen arbeiten“, stimmte er zu. „Aber was davon, Nuri?“
Als er diesen Namen benutzte, wurde ihr ganz warm. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Wenn du jetzt auf weibliche Intuition hoffst, muss ich dich leider enttäuschen.“
„Falls du doch noch eine Eingebung haben solltest …“, sagte er.
„… sage ich dir Bescheid.“ Sie seufzte. „Das tut gut. Ich wünschte, du hättest schon früher so mit mir gesprochen. Ich kam mir so ausgeschlossen und überflüssig vor.“
„Du hattest recht – es tut gut, die Sorgen mit jemandem zu teilen. Es tut mir leid, dass ich mein Herz vor dir verschlossen habe, indem ich sie nicht bei dir abladen wollte.“
Dieser Satz war ein bittersüßer Triumph, wie jeder Triumph, der zu spät kommt.
Früher wurde an Elenors Universität oft für hilfsbedürftige Länder gesammelt. Sie erinnerte sich beispielsweise an eine Sammlung mit Winterkleidung für Kurden und an eine andere für Bosnien. Also schrieb Elenor an das Studentensekretariat und fragte, ob es möglich wäre, vor Beginn des Trimesters Kleidung, Bücher, Geld und andere Dinge für Parvan zu sammeln. Sie erwähnte auch, dass Baumaterial und – maschinen dringend benötigt wurden und Medikamentenmangel herrschte.
Dann rief sie ihre Eltern an und versuchte, ihnen die Situation zu erklären.
„Ich verstehe dich nicht“, sagte ihre Mutter. „Erst warst du verheiratet, dann wieder nicht, dann hat Karim dich verstoßen, und jetzt stellt sich auf einmal heraus, dass ihr die ganze Zeit über verheiratet wart und ich Großmutter bin. Und in allen Zeitungen gab es Abbildungen, auf denen er dich aus einer Kirche entführt. Waren diese Bilder gestellt, Elenor?“
„Nicht ganz.“
„Sie sahen so gestellt aus. Offenbar versteht er etwas von Öffentlichkeitsarbeit – alle Welt redet davon, wie romantisch er ist. Zwei Fernsehsender haben angefragt, ob sie mich interviewen dürfen. Was soll ich machen?“
„Lass sie in dem Glauben, dass er romantisch ist, und versuch, Spenden herauszuschlagen“, riet Elenor.
Außerdem schrieb sie an Gabriel, um ihm mitzuteilen, dass sie doch keine ungebundene Frau wäre, auch wenn sie das bis vor Kurzem ernsthaft geglaubt hatte. Und dass sie, was immer auch geschähe, nach Parvan gehöre. Zuletzt schrieb sie, dass sie sich freuen würde zu hören, ob es ihm gut ging.
An Lana schrieb sie, wie sehr das Land unter der Zerstörung litt. Sie schrieb über die zerbombte Stadt, über die beschädigten Brunnen und darüber, wie schwierig das Leben für die Nomaden geworden war. Sie schrieb ihr auch von dem Palast aus Tausendundeiner Nacht, der seiner Schätze beraubt worden war. Sie schrieb all das, was sie Karim nicht sagen konnte, ohne ihn zusätzlich zu belasten.
Und sie schrieb von der Freude über ihren wiedergefundenen Sohn, aber auch von dem Schmerz während der drei Jahre, in denen sie ihr Kind für tot gehalten hatte. Außerdem erzählte sie Lana, was sie von Karim erfahren hatte: dass sie das Baby nach der Geburt zurückgewiesen und sich geweigert haben sollte, es zu halten und zu füttern. Daran könne sie sich zwar beim besten Willen nicht erinnern, aber es könnte durchaus möglich sein.
Auf ihren Streifzügen durch den Palast wurde sie stets von Roshan und gelegentlich auch von Dallia begleitet. Eines Tages gelangte sie dabei zufällig in den ältesten Teil des Palasts und in das Hochzeitsgemach – den Raum, in dem sie und Karim ihre erste Nächte verbracht hatten.
Als sie den Raum betraten, schien die Sonne durch die bunten Fenster herein und warf farbige Lichtflecken auf den Boden.
Ansonsten war nichts so geblieben wie vorher. Früher hatten in dem Raum unschätzbar wertvolle Antiquitäten gestanden. Nun waren das Bett, die Kissen, die Teppiche und sogar das gusseiserne Kohlebecken verschwunden.
Auch die Leidenschaft zwischen ihr und Karim war verschwunden. Trotz allem, was sie später über seine Gründe für die Heirat erfahren hatte – diese Leidenschaft war echt gewesen. Er hatte Elenor begehrt. Dieser Raum beschwor herauf, was sie vergessen hatte, und ein Teil von ihr sehnte sich danach zurück.
Sogar die Holzvertäfelung und die geschnitzten Türen fehlten. Nur der nackte Stein war übrig geblieben. Ohne das Licht, das durch die bunten Fenster fiel, hätte Elenor den Raum nicht wiedererkannt.
„Worauf warten
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