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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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gab. Zu drei Seiten umgaben ihn hohe Wände, er war dem Phantom schutzlos ausgeliefert.
    Die Gestalt kam auf ihn zu. Jonathan wich zurück, bis er gegen den kalten Backstein stieß. Zitternd vor Angst, presste er sich dagegen; seine Fingernägel verkrallten sich so sehr in den rauen Ziegelvorsprüngen, dass Blut hervortrat. Er konnte die Kälte fühlen, die von der unheimlichen Gestalt ausging. Schützend riss er die Hände vors Gesicht, sank in sich zusammen und fing leise an zu wimmern, während der Maskierte auf ihn zu trat.
    Der Umhang des Vermummten bauschte sich, und Dunkelheit fiel über Jonathan Milton, schwarz und finster wie die Nacht.

2.
    E s war früher Morgen, als ein Bote an die Pforte von Abbotsford klopfte.
    Sir Walter Scott, der Herr dieses stolzen Anwesens, das sich am Ufer des Tweed erstreckte, nannte seinen Besitz gern eine ›Romanze aus Stein und Mörtel‹, eine Beschreibung, die auf Abbotsford durchaus zutraf. Denn innerhalb der Mauern aus braunem Sandstein, der Kreuzgänge und Zinnen, die an den Ecken und über den Portalen des Anwesens aufragten, schien es, als wäre die Zeit stehen geblieben … als wäre die Vergangenheit, von der Sir Walter in seinen Romanen schrieb, noch lebendig.
    Am frühen Morgen, wenn die Sonne noch nicht aufgegangen war und der Nebel vom Fluss aufstieg, bot Abbotsford eher ein unheimliches als ein anheimelndes Bild. Doch der Bote, der von seinem Rappen gestiegen war und energisch mit der Faust gegen das schwere Holztor hämmerte, hatte dafür keine Augen. Zu dringend war die Nachricht, die er dem Herrn von Abbotsford zu überbringen hatte.
    Dumpf dröhnte das Holz unter den Schlägen wider, und es dauerte nicht lange, bis von der anderen Seite knirschende Schritte im Kies zu hören waren.
    Der Riegel des Gucklochs wurde beiseite gezogen, und ein griesgrämiges Gesicht erschien, das dem Hausverwalter gehören mochte. Grau gewelltes Haar umrahmte ein wettergegerbtes Gesicht, aus dem eine gerötete Adlernase ragte.
    »Wer bist du, und was willst du zu dieser unchristlichen Stunde?«, verlangte der Verwalter barsch zu wissen.
    »Ich komme im Auftrag des Sheriffs von Kelso«, erwiderte der Bote und zeigte das Siegel, das er mit sich führte. »Ich habe eine dringende Nachricht für den Herrn des Hauses.«
    »Eine Nachricht für Sir Scott? Um diese Zeit? Kann es nicht warten, bis wenigstens die Sonne aufgegangen ist? Seine Herrschaft schläft noch, und ich möchte ihn ungern wecken. Er bekommt ohnehin wenig Schlaf in diesen Tagen.«
    »Bitte«, erwiderte der Bote, »es ist dringend. Es ist etwas geschehen. Ein Unfall.«
    Der Hausverwalter musterte den Boten mit prüfendem Blick. Der drängende Tonfall schien ihn zu überzeugen, dass die Angelegenheit keinen Aufschub duldete, denn schließlich zog er doch den Riegel beiseite und öffnete das Tor.
    »Nun gut, komm herein. Aber ich warne dich, junger Freund. Wenn du Sir Walter einer Nichtigkeit wegen den Schlaf raubst, wirst du das bereuen.«
    Der Bote senkte ergeben das Haupt. Sein Pferd ließ er vor dem Portal zurück und folgte dem Verwalter durch den Kreuzgang, der den Garten säumte, ins Herrenhaus.
    Im Haupthaus wies der Verwalter den Boten an, in der Halle zu warten. Beeindruckt vom gotischen Prunk und der altertümlichen Eleganz des Ortes, blieb der Bursche zurück, während der andere sich entfernte, um den Herrn des Hauses zu holen.
    Die Eingangshalle von Abbotsford House sah aus, als wäre sie einem früheren Zeitalter entsprungen. Entlang der steinernen Wände reihten sich Rüstungen und alte Waffen, dazu Gemälde und Wandteppiche, die von der glorreichen Vergangenheit Schottlands kündeten. Die hohe Decke war wie in alter Zeit mit Holz getäfelt und vermittelte den Eindruck eines Rittersaals. Oberhalb des gemauerten Kamins, der die Stirnseite der Halle einnahm, prangte das Wappen der Scotts, umgeben von den Tartanfarben des Clans.
    Aus einer Tür auf der rechten Seite des Kamins trat unvermittelt ein Mann, der an die fünfzig Jahre alt sein mochte. Mit einer Körpergröße von rund sechs Fuß bot er eine überaus eindrucksvolle Erscheinung. Das ergraute, kurz geschnittene Haar trug er nach vorn gekämmt. Seine Züge waren, seinem stämmigen Wuchs entsprechend, markant und von einer ländlichen Robustheit, wie sie bei adeligen Herren selten zu finden ist. Die kleinen Augen jedoch, die wach und aufmerksam wirkten und denen nichts zu entgehen schien, straften jeden Eindruck von Grobschlächtigkeit Lügen.
    Trotz

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