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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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um den Himmel von der Erde aus zu erreichen, sondern um den Himmel zur Erde herabzuholen.) Aljoscha schien es sogar seltsam und unmöglich, so weiterzuleben wie bisher. Es steht geschrieben: »Verteile alles, was du hast, und folge mir nach, wenn du vollkommen sein willst.« Und da sagte sich Aljoscha: »Ich kann nicht statt meines Besitzes nur zwei Rubel geben, statt ihm nachzufolgen nur zur Messe gehen.« Unter seinen Kindheitserinnerungen hatte sich vielleicht auch die eine oder andere an das vor der Stadt gelegene Kloster gehalten, in das ihn seine Mutter zur Messe mitgenommen haben mochte. Vielleicht wirkten auch die schrägen Strahlen der untergehenden Sonne vor dem Heiligenbild, zu dem ihn seine Mutter, die Schreierin, emporhielt, nach. Nachdenklich kam er damals zu uns, vielleicht nur um zu sehen: Gibt man hier alles oder nur zwei Rubel? Und begegnete im Kloster diesem Starez.
    Es war, wie ich schon sagte, der Starez Sossima. Aber ich muß an dieser Stelle ein paar Worte darüber einfügen, was die Starzen in unseren Klöstern überhaupt darstellen. Leider bin ich auf diesem Gebiet nicht recht kompetent; trotzdem will ich es wenigstens knapp und oberflächlich zu erklären versuchen. Zunächst dies: Zuverlässige Fachleute versichern, in unseren russischen Klöstern sei die Institution der Starzen erst vor kurzem, vor nicht einmal hundert Jahren, aufgekommen, während sie im ganzen gläubigen Osten, besonders auf dem Sinai und dem Athos, schon über tausend Jahre bestehe. Zwar habe diese Institution in ältester Zeit auch in Rußland existiert – zumindest müsse man das als sicher annehmen –, doch sei sie über dem Unglück, das Rußland heimsuchte, über der Tatarenherrschaft und den Aufständen und infolge des Abbruchs der Beziehungen zum Orient nach der Eroberung Konstantinopels in Vergessenheit geraten und abgeschafft worden. Wieder eingeführt worden sei sie gegen Ende des vorigen Jahrhunderts durch Paissi Welitschkowski, einen der sogenannten großen Glaubenshelden, und seine Schüler; aber noch heute, fast hundert Jahre später, existiere sie nur in wenigen Klöstern und sei als eine für Rußland unerhörte Neuerung, mitunter sogar Verfolgungen ausgesetzt gewesen. In Blüte habe sie in der berühmten Einsiedelei von Koselks-Optina gestanden. Wann und von wem sie in unserem Kloster eingeführt worden ist, kann ich nicht sagen; jedenfalls waren in ihm bereits drei Starzen einander gefolgt: Sossima war der letzte von ihnen, doch auch er war bereits schwach und krank, und wer ihm, nachfolgen sollte, wußte man nicht. Diese Frage war wichtig für unser Kloster, denn es war bisher durch nichts berühmt: weder durch Gebeine Heiliger noch durch plötzlich entdeckte wundertätige Ikonen, nicht einmal durch ruhmvolle geschichtliche Überlieferungen; ihm wurden keine historischen Großtaten, keine Verdienste um das Vaterland zugeschrieben. Seine Blüte und seine Berühmtheit in ganz Rußland verdankte es eben gerade seinen Starzen; sie zu sehen und zu hören, kamen die Pilger scharenweise tausend Werst weither. Was also ist ein »Starez«? Einer, der Seele und Willen eines anderen in seine Seele und in seinen Willen aufnimmt. Wer sich einen Starez erwählt, verzichtet auf seinen eigenen Willen und ordnet sich ihm in voller Selbstverleugnung und vollem Gehorsam unter. Wer dieses Gelübde ablegt, nimmt eine schwere, lange Prüfung, eine furchtbare Lebensschule freiwillig auf sich: in der Hoffnung, schließlich sich selbst zu überwinden und sich so weit beherrschen zu lernen, daß er zuletzt durch lebenslänglichen Gehorsam die vollkommene Freiheit, das heißt, die Befreiung von sich selbst erlangt und dem Schicksal derer entgeht, die ihr ganzes Leben lang nicht zu sich selber finden. Die Institution des Starez war keine theoretische Erfindung, sondern hat sich im Osten aus einer nunmehr tausendjährigen Praxis entwickelt. Die Pflichten gegenüber dem Starez beschränken sich nicht auf gewöhnlichen Gehorsam, wie es ihn auch in unseren russischen Klöstern von jeher gegeben hat. Wer sich einem Starez unterordnet, verpflichtet sich, ihm lebenslänglich zu beichten, und die Bindung zwischen beiden ist unzerreißbar. Es wird zum Beispiel erzählt, in den ältesten Zeiten des Christentums habe einmal ein so Ergebener eine vom Starez auferlegte Buße nicht geleistet, habe das Kloster verlassen und sich in ein anderes Land begeben, aus Syrien nach Ägypten. Dort sei er nach langen Jahren voller großer Taten endlich

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