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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Fjodor Pawlowitsch in seiner Eigenschaft als Pate persönlich erschien, da erklärte er plötzlich, das Kind brauche überhaupt nicht getauft zu werden. Er erklärte das nicht mit erhobener Stimme und verbreitete sich nicht weiter, er preßte mühsam jedes einzelne Wort heraus, blickte aber dabei den Geistlichen mit stumpfsinniger Miene unverwandt an.
    »Warum denn?« erkundigte sich der Geistliche mit heiterer Verwunderung.
    »Weil das ... ein Drache ist...«, murmelte Grigori.
    »Wieso denn ein Drache? Was für ein Drache?«
    Grigori schwieg eine Weile.
    »Es ist eine Verwechslung der Natur vorgegangen ...«, murmelte er, zwar undeutlich, aber mit sehr fester Stimme er wollte offenbar nicht näher auf die Sache eingehen.
    Man lachte, und selbstverständlich wurde das arme Kindchen getauft. Grigori betete andächtig beim Taufbecken, ohne jedoch seine Meinung über den Neugeborenen zu ändern. Übrigens ließ er alles ruhig geschehen, nur sah er den kränklichen Knaben während der ganzen zwei Wochen, die er lebte, beinahe gar nicht an, wollte ihn nicht einmal bemerken und hielt sich größtenteils außerhalb des Zimmers auf. Als aber der Knabe nach zwei Wochen am Milchfieber gestorben war, legte er ihn selbst in einen kleinen Sarg und schaute ihn tief bekümmert an. Und als das kleine flache Grab zugeschüttet war, fiel er auf die Knie und verbeugte sich vor dem kleinen Hügel bis zur Erde. Seitdem sprach er viele Jahre lang nicht ein einziges Mal von seinem Kindchen, und auch Marfa Ignatjewna erwähnte es in Gegenwart ihres Mannes nie; und wenn es sich traf, daß sie mit jemand von ihrem »Kleinchen« sprach, so nur im Flüsterton, auch wenn Grigori Wassiljewitsch nicht dabei war. Wie Marfa Ignatewna wahrnahm, begann er sich schon am Begräbnistag vorzugsweise mit »göttlichen Dingen« zu beschäftigen; er las die Lebensbeschreibungen der Heiligen, meist schweigend und allein, wobei er jedesmal seine silberne Brille mit den großen, runden Gläsern aufsetzte. Nur selten las er laut, höchstens in den Großen Fasten. Er liebte das Buch Hiob; auch hatte er sich irgendwoher eine geschriebene Sammlung von Aussprüchen und Predigten »unseres von Gott erleuchteten Vaters Isaak Syrer« verschafft und las darin beharrlich viele Jahre lang, obwohl er so gut wie nichts davon verstand, aber vielleicht schätzte und liebte er dieses Buch gerade deshalb um so mehr. In der allerletzten Zeit hatte er angefangen, sich mit der Sekte der Geißler bekannt zu machen, wozu sich in der Nachbarschaft Gelegenheit bot. Er war davon augenscheinlich tief erschüttert, hielt es aber doch nicht für ratsam, zu einem neuen Glauben überzugehen. Seine Beschäftigung mit »göttlichen Dingen« verlieh seinem Gesicht natürlich den Ausdruck noch größerer Würde.
    Vielleicht neigte er zum Mystizismus. Und da fielen die Geburt seines sechsfingrigen Knaben und dessen Tod ausgerechnet mit einem anderen seltsamen, unerwarteten und eigenartigen Ereignis zusammen, das in seiner Seele, wie er sich später einmal selbst ausdrückte, einen »Abdruck« hinterließ. Gerade an dem Tag, da das sechsfingrige Würmchen begraben war, erwachte nämlich Marfa Ignatjewna mitten in der Nacht und glaubte das Weinen eines neugeborenen Kindes zu hören. Sie erschrak und weckte ihren Mann. Dieser horchte und meinte, da stöhne wohl jemand, vermutlich ein Weib. Er stand auf und zog sich an; es war eine warme Mainacht. Als er vor die Haustür trat, hörte er deutlich, daß das Stöhnen aus dem Garten kam. Aber die Tür vom Hof zum Garten wurde nachts immer verschlossen, und in den Garten anders als durch diesen Eingang zu gelangen war nicht möglich, weil den ganzen Garten ein starker, hoher Plankenzaun umgab. Grigori kehrte in das Haus zurück, zündete die Laterne an, nahm den Gartenschlüssel und ging schweigend in den Garten, ohne sich um die Angst seiner Frau zu kümmern, die immer noch glaubte, sie höre das Weinen eines Kindes und da weine bestimmt ihr Knabe und rufe nach ihr. Dort hörte er deutlich, daß das Stöhnen aus ihrem Badehäuschen kam, welches im Garten nahe bei der kleinen Pforte stand, und daß es wirklich eine Frau war, die da stöhne. Er öffnete das Badehäuschen und erblickte ein Schauspiel, das ihn erstarren ließ. Eine stadtbekannte Irrsinnige, die sich auf den Straßen herumzutreiben pflegte und Lisaweta die Stinkende genannt wurde, hatte sich Eingang in das Badehäuschen verschafft und soeben ein Kind geboren. Das Kind lag neben ihr, sie lag

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