Die Brueder Karamasow
einer höheren Stufe ... vorzüglich, Alexej Fjodorowitsch! Aber fahren Sie fort, fahren Sie fort!«
»Das heißt, ich habe mich nicht richtig ausgedrückt ... mit der höheren Stufe ... Aber das tut nichts; denn ...«
»Ach, das tut nichts, das tut nichts, gewiß, das tut nichts! Verzeihen Sie, lieber Aljoscha ... Wissen Sie, ich habe Sie bisher wenig geachtet ... das heißt, ich habe Sie geachtet, aber wie einen, der mit mir auf gleicher Stufe steht. Jetzt jedoch werde ich Sie wie einen Höherstehenden achten ... Lieber Aljoscha, seien Sie nicht böse, daß ich witzele«, fügte sie sogleich mit Wärme hinzu. »Ich bin nur ein lächerliches, unbedeutendes Geschöpf, aber Sie, Sie ... Hören Sie mal, Alexej Fjodorowitsch, steckt nicht in diesem unserem Gedanken, das heißt in Ihrem Gedanken, nein, richtiger doch in unserem ... steckt nicht darin eine Art von Geringschätzung diesem Unglücklichen gegenüber? Wenn wir jetzt seine Seele sezieren, so von oben herab? Wie? Wenn wir jetzt mit solcher Bestimmtheit behaupten, daß er das Geld annehmen wird? Wie?«
»Nein, Lisa, eine Geringschätzung steckt nicht darin«, antwortete Aljoscha entschieden, als ob er auf diese Frage schon vorbereitet war. »Ich habe darüber bereits auf dem Heimweg nachgedacht. Urteilen Sie selbst. Wie kann von Geringschätzung die Rede sein, wo wir doch von derselben Art sind wie er, wo doch alle Menschen von derselben Art sind wie er. Denn auch wir sind von derselben Art und keineswegs besser. Aber auch wenn wir besser wären, würden wir an seiner Stelle doch ebenso handeln. Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, Lisa, aber ich glaube von mir, daß ich in vieler Hinsicht eine kleinliche Seele habe. Er dagegen hat keine kleinliche Seele, sondern im Gegenteil eine sehr feinfühlige ... Nein, Lisa, von Geringschätzung kann nicht die Rede sein! Wissen Sie, Lisa, mein Starez sagte einmal: Man muß die Menschen wie Kinder warten und pflegen und manche wie die Kranken in den Krankenhäusern.«
»Ach, Alexej Fjodorowitsch, mein Täubchen, lassen Sie uns die Menschen wie Kranke warten und pflegen!«
»Tun wir das, Lisa, ich bin bereit! Nur bin ich selbst noch nicht geschickt genug. Ich bin manchmal sehr ungeduldig, und ein andermal ist es, als hätte ich keine Augen im Kopf. Bei Ihnen ist es etwas anderes.«
»Nein, das glaube ich nicht, Alexej Fjodorowitsch, wie glücklich ich bin!«
»Wie schön, daß Sie das sagen, Lisa.«
»Alexej Fjodorowitsch, Sie sind erstaunlich gut. Manchmal scheint es, daß Sie pedantisch sind. Sieht man jedoch genauer hin, sind Sie gar nicht pedantisch ... Gehen Sie doch mal zur Tür, öffnen Sie sachte und sehen Sie, ob Mama nicht horcht«, flüsterte Lisa auf einmal nervös und hastig.
Aljoscha ging hin, öffnete die Tür ein wenig und berichtete, es horche niemand.
»Kommen Sie zu mir, Alexej Fjodorowitsch«, fuhr Lisa fort und errötete immer stärker. »Geben Sie mir Ihre Hand, so! Hören Sie, ich muß Ihnen ein großes Geständnis machen. Den Brief gestern habe ich Ihnen nicht im Scherz geschrieben, sondern im Ernst ...« Und sie bedeckte ihre Augen mit der Hand. Es war klar, daß sie sich sehr schämte, dieses Geständnis zu machen. Plötzlich ergriff sie seine Hand und küßte sie ungestüm dreimal.
»Ach, Lisa, das ist schön!« rief Aljoscha freudig. »Aber ich war ja auch überzeugt, daß Sie ihn im Ernst geschrieben hatten.«
»Er war überzeugt! Na, so etwas!« rief Lisa und schob auf einmal seine Hand zurück ohne sie jedoch loszulassen. Sie wurde dunkelrot und brach in ein leises, glückliches Lachen aus. »Ich habe ihm die Hand geküßt, und er sagt einfach – Das ist schön!«
Aber sie machte ihm zu Unrecht Vorwürfe, denn auch Aljoscha war sehr verwirrt.
»Ich möchte Ihnen immer gefallen, Lisa. Ich weiß aber nicht, wie ich das machen soll«, murmelte er undeutlich und errötete ebenfalls.
»Lieber Aljoscha, Sie sind kalt und arrogant. Er hat geruht, mich zu seiner Gattin zu wählen, und damit hat er sich beruhigt! Er war überzeugt, daß ich den Brief im Ernst geschrieben habe – was soll man dazu sagen? Das ist doch wohl Arroganz – ja, das ist es!«
»Ist es etwa schlecht, daß ich davon überzeugt war?« fragte Aljoscha lachend.
»Im Gegenteil, Aljoscha, es ist sehr gut«, erwiderte Lisa, ihn zärtlich und glücklich anblickend.
Aljoscha stand immer noch da, seine Hand in ihrer. Auf einmal beugte er sich herunter und küßte sie auf den Mund.
»Was soll denn das wieder
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