Die Brueder Karamasow
Und selbst wenn sie gedroht hätte, völlig mit ihm zu brechen, er wäre auch dann unerbittlich geblieben. Wohl aber gab er ihr ein kleines Kapital; als das bekannt wurde, gerieten auch darüber alle in Erstaunen.
»Du bist ein kluges Frauenzimmer«, sagte er zu ihr, als er ihr ungefähr achttausend Rubel aushändigte. »Arbeite selbst mit dem Geld. Und merke dir, daß du außer deinem Jahresunterhalt wie bisher bis zu meinem Tode weiter nichts von mir bekommen wirst! Und auch in meinem Testament werde ich dir nichts weiter vermachen!«
Und er hielt Wort: Er starb und hinterließ alles seinen Söhnen, die er sein Leben lang in seinem Hause gehalten und mit den Dienern auf gleiche Stufe gestellt hatte, sowie deren Frauen und Kindern; Gruschenka war in dem Testament überhaupt nicht erwähnt. Alles das wurde erst später bekannt.
Mit Ratschlägen, wie sie mit ihrem eigenen Kapital arbeiten sollte, und mit dem Nachweis diesbezüglicher Geschäfte half er Gruschenka allerdings nicht wenig. Als sich Fjodor Pawlowitsch Karamasow, der ursprünglich wegen eines zufälligen Geschäftes mit Gruschenka in Verbindung getreten war, schließlich zu seiner eigenen großen Überraschung sinnlos in sie verliebte und geradezu den Verstand darüber verlor, da lachte der alte Samsonow, damals schon ein Todeskandidat, gewaltig. Es ist bemerkenswert, daß Gruschenka während der ganzen Zeit ihrer Bekanntschaft ihrem Alten gegenüber vollkommen aufrichtig war, und zwar anscheinend von Herzen; offenbar war er der einzige Mensch auf der Welt, vor dem sie sich so benahm.
Als auf einmal auch Dmitri Fjodorowitsch mit seiner Liebe auf den Plan trat, hörte der Alte auf zu lachen. Vielmehr gab er Gruschenka in ernstem Ton folgenden Rat: »Wenn du glaubst, einen von beiden wählen zu müssen, Vater oder Sohn, so wähle den Alten! Aber nur unter der Bedingung, daß der alte Schuft dich unter allen Umständen heiratet und dir vorher wenigstens ein einigermaßen beträchtliches Kapital verschreibt. Doch mit dem Hauptmann gib dich nicht ab, dabei kommt nichts heraus!« Dies waren die Worte des alten Lüstlings, der damals schon seinen nahen Tod ahnte und wirklich fünf Monate danach starb.
Ich bemerke noch nebenbei, daß bei uns in der Stadt damals zwar viele von der absurden Nebenbuhlerschaft zwischen den beiden Karamasows um Gruschenka wußten, daß aber kaum jemand etwas von den wahren Beziehungen Gruschenkas zu dem Alten und dem Sohn wußte. Selbst Gruschenkas Dienerinnen sagten später, nachdem die Katastrophe hereingebrochen war, von der noch die Rede sein wird, vor Gericht aus, Agrafena Alexandrowna habe Dmitri Fjodorowitsch nur aus Angst empfangen, weil er gedroht habe, sie zu töten. Dienerinnen hatte sie zwei: eine alte, kranke und beinahe taube Köchin, die noch aus ihrem Elternhaus stammte, und deren Enkelin, ein junges, munteres Ding von etwa zwanzig Jahren, das Stubenmädchen. Ansonsten lebte Gruschenka sehr sparsam, und auch ihre Einrichtung war nur dürftig. Sie hatte in dem Seitengebäude drei Zimmer, die von der Wirtin nach der Mode der zwanziger Jahre mit alten Mahagonimöbeln ausgestattet waren.
Als Rakitin und Aljoscha bei ihr eintraten, herrschte draußen schon Dämmerung, aber die Zimmer waren noch nicht erleuchtet. Gruschenka lag in ihrem Salon auf einem großen, plumpen, harten Sofa mit einer Rücklehne aus imitiertem Mahagoniholz, das mit stark abgewetztem und zerlöchertem Leder bezogen war. Unter dem Kopf hatte sie zwei weiße Federkissen aus ihrem Bett. Sie lag ausgestreckt auf dem Rücken, ohne sich zu bewegen, beide Hände hinter den Kopf gelegt. Als ob sie Besuch erwartete, trug sie ein schwarzes Seidenkleid und auf dem Kopf ein leichtes Spitzenhäubchen, das ihr sehr gut stand; um die Schultern hatte sie ein Spitzentuch geworfen, das von einer massiv goldenen Brosche zusammengehalten wurde. Sie erwartete wirklich jemand und schien ungeduldig und erregt mit dem etwas blassen Gesicht und den brennenden Lippen und Augen; mit der Spitze des rechten Fußes klopfte sie ungeduldig gegen die Seitenlehne des Sofas.
Kaum erschienen Rakitin und Aljoscha, entstand ein kleiner Tumult. Vom Vorzimmer aus war zu hören, wie Gruschenka vom Sofa aufsprang und erschrocken rief : »Wer ist da?«
Aber das Mädchen, das die Besucher empfangen hatte, teilte ihrer Herrin sogleich mit: »Er ist es nicht, es sind andere.«
»Was mag sie nur haben?« murmelte Rakitin, während er Aljoscha an der Hand in den Salon führte.
Gruschenka
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