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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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dies Behauptung fand keinen rechten Glauben: sie konnte nicht einmal ein Wort sprechen und bewegte nur ab und zu die Zunge und brummte etwas – wie konnte da von Stolz die Rede sein!
    Da begab es sich nun, daß einstmals (schon vor geraumer Zeit) in einer hellen warmen Septembernacht bei Vollmond, zu einer nach unseren Begriffen späten Stunde eine angetrunkene Rotte, bestehend aus fünf oder sechs unserer nachtschwärmenden flotten Herren, aus dem Klub »hinten herum« nach Hause zurückkehrte. Auf beiden Seiten der Gasse zogen sich Flechtzäune hin, hinter denen die Gemüsegärten der anstoßenden Häuser lagen, und die Gasse mündete auf einen Fußsteg über unsere übelriechende, lange Pfütze, die man bei uns herkömmlicherweise manchmal das »Flüßchen« nennt. An dem Flechtzaun, in Nesseln und Kletten, erblickte unsere Gesellschaft die schlafende Lisaweta. Die fidelen Herren blieben lachend neben ihr stehen und begannen höchst ungenierte Witze zu reißen. Eines der Herrchen kam auf den Einfall, eine ganz exzentrische Frage aufzuwerfen, nämlich: kann irgend jemand ein solches Stück Vieh als Weib betrachten, zum Beispiel jetzt gleich, und so weiter. Alle meinten mit stolzem Ekel, das sei unmöglich. Aber in diesem Häufchen befand sich zufällig auch Fjodor Pawlowitsch, der augenblicklich erklärte, man könne dieses Wesen als Weib betrachten, sogar sehr wohl, und es liege darin sogar etwas besonders Pikantes, und so weiter, und so weiter. In der Tat drängte er sich in jener Zeit schon auf affektierte Weise in die Rolle des Possenreißers; er tat sich gern hervor und amüsierte die Herren, anscheinend zwar völlig gleichberechtigt, in Wirklichkeit aber ganz und gar als Knecht. Das war gerade zu der Zeit, als er aus Petersburg die Nachricht vom Tod seiner ersten Frau, Adelaida Iwanowna, erhalten hatte und mit dem Trauerflor am Hut dermaßen trank und sumpfte, daß manche Leute in der Stadt, sogar manch der zügellosesten Gesellen, sich über diesen Anblick empörten. Die Bande lachte natürlich laut über die unerwartete Behauptung, und einer von ihnen begann sogar Fjodor Pawlowitsch zu animieren, die übrigen, obwohl noch immer in maßloser Heiterkeit, spuckten noch mehr angeekelt aus, und endlich gingen sie ihres Weges. Später hat Fjodor Pawlowitsch eidlich versichert, auch er sei damals mit allen zusammen fortgegangen. Vielleicht war das wirklich so – zuverlässig weiß es niemand und hat es niemand jemals gewußt –, aber fünf oder sechs Monate darauf begann die ganze Stadt mit starker, aufrichtiger Empörung davon zu reden, daß Lisaweta schwanger sei. Man fragte und suchte herauszubekommen, wer diese Sünde begangen habe, wer der Übeltäter sei. Und da verbreitete sich auf einmal in der Stadt das schreckliche Gerücht, der Übeltäter sei eben dieser Fjodor Pawlowitsch. Woher kam dieses Gerücht? Von jener Rotte nachtschwärmender Herren war zu jener Zeit zufällig nur ein einziger Teilnehmer in der Stadt geblieben, und das war ein bejahrter, geachteter Staatsrat, der eine Frau und erwachsene Töchter hatte und dergleichen bestimmt nicht in Umlauf gebracht hätte, selbst wenn es wahr gewesen wäre. Die übrigen Teilnehmer aber, etwa vier an der Zahl, hatten damals, der eine hierhin, der andere dorthin, die Stadt verlassen. Aber das Gerücht zielte direkt und beharrlich auf Fjodor Pawlowitsch. Allerdings kümmerte sich dieser nicht sonderlich darum: Irgendwelchen Kaufleuten oder Kleinbürgern gegenüber hätte er sich auch gar nicht verantwortet. Er war damals stolz und redete nur mit seiner Gesellschaft von Beamten und Adligen, die er so eifrig belustigte. Zu jener Zeit verteidigte Grigori seinen Herrn energisch und aus voller Kraft und nahm ihn nicht nur gegen diese üblen Nachreden in Schutz, sondern ließ sich um seinetwillen sogar auf Streit und Schimpfereien ein und brachte wirklich viele von ihrer Überzeugung ab. Sie selbst, diese gemeine Person, sei schuld daran, sagte, er mit aller Bestimmtheit, und der Übeltäter sei niemand anders als »Karp mit der Schraube«, so wurde ein damals stadtbekannter gefürchteter Sträfling genannt, der zu jener Zeit aus dem Gouvernementsgefängnis entsprungen war und sich heimlich in unserer Stadt aufhielt. Diese Lösung des Rätsels schien glaublich. An Karp erinnerte man sich, man erinnerte sich vor allem, daß er sich gerade in jenen Herbstnächten in der Stadt herumgetrieben und drei Personen ausgeplündert hatte. Dieses Ereignis und alle diese

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