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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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wieder kreuzt – sehen wir es vorbeirasen, hier und heute – so schnell wie einen Lichtstrahl. Die Reise des Raumschiffes könnte demnach auch in die Vergangenheit führen – in seine eigene Vergangenheit.« War das noch wissenschaftlich?
    Nein, sagte McCraight, das sei bereits absurd. Die Logik steht kopf, aber gerade das sei der Reiz dieser Idee: Die UFOs stammen von dieser Erde. Sie werden erst in einigen hundert Jahren erfunden – und starten – auch in die Vergangenheit. Unsere Ur-Ur-Enkel besuchen uns. Sie scheuen vor Kontakt mit uns zurück. Der Eingriff in die eigene Vergangenheit scheint ihnen riskant zu sein – oder unmöglich. Eine Erklärung, warum sie uns ähnlich sind, diese fremden, fahlen Wesen, wäre damit auch gegeben – das Bild des Menschen der Zukunft.
    Ob McCraight selber an diese etwas kühne Theorie glaube, wollte ich wissen. Glauben? Muß man an seine Ideen glauben? Eine Hypothese, ein Spiel der Gedanken, das ist doch genug, oder nicht?
    Die UFOs als Zeitmaschinen – Vergangenheit und Zukunft existieren nebeneinanderher.
    McCraight sah auf seine Uhr, erhaschte noch ein letztes Lächeln der Thailänderin und ließ mich allein mit seiner absurden, bestechenden Idee:
    Eine Delegation reist in ihre eigene, barbarische Vergangenheit, in die Zeit, kurz vor dem Aufbruch in das dritte Jahrtausend.

46
     
     
     
    »Zeigen Sie uns Washington!«
    Der Fahrer des Mietwagens nickte und fuhr los. Er war schwarz, ein Student aus Jamaica. Wenn er Zeit und Lust hatte, klappte er das entsprechende Schild hoch, dann war sein Wagen für den öffentlichen Personenverkehr zugelassen. Damit finanzierte er sein Studium.
    Er wählte die übliche ›sight-seeing-tour‹: die Memorials und Monumente der Präsidenten Jefferson, Lincoln, Washington, das Weiße Haus, das Pentagon, die faschistisch anmutenden Säulenhallen der öffentlichen und staatlichen Gebäude an der Constitution Avenue, das Capitol.
    Schön, und wie wohnen die Menschen? Wir machten einen Abstecher in die Wohnbezirke dieser Beamtenstadt. Alles sah sauber, ordentlich, steril aus. Das waren die Viertel der Weißen, die kannten wir schon.
    Aber mehr als die Hälfte der Einwohner Washingtons sind Farbige. Wo wohnen sie?
    Unser Fahrer blickte sich um, musterte uns, schüttelte den Kopf, fuhr an den Straßenrand und hielt an. »Sie kommen aus Europa, nicht wahr? Ich meine, weil Sie mich das fragen. Sie wissen es nicht…?« Er wußte nicht weiter.
    Wie sollte er, der junge, progressive Student aus Jamaica, uns, den naiven, törichten Touristen aus der Alten Welt, klarmachen, was er selbst nicht verstand: Die Farbigenviertel waren für Weiße tabu. Verbotenes Gelände. Sich dort hineinzuwagen, so behaupteten unsere amerikanischen Kollegen, sei für uns lebensgefährlich.
    Ist es das wirklich? Roczinski hatte es überlebt! Hatte es sonst noch einer ausprobiert? Und was war mit ihm geschehen? – Soviel ich erfahren konnte, war nichts geschehen. Nichts! Bisher.
    Denn die nächtlichen Raubüberfälle wurden im Viertel der Weißen verübt.
    Die notwendige und fällige Kollektivscham der Weißen ihren ›schwarzen Brüdern‹ gegenüber war mit Gerüchten und Angst, mit Verleumdung und Rufmord erfolgreich verdrängt worden. Ein echtes Tabu. Betritt es nicht, das fremde Territorium, oder du wirst sterben. Tod jedem, der ein Tabu bricht! Selbst der farbige Student aus Jamaica glaubte daran. Wir diskutierten mit ihm. Er lächelte verlegen, dann fuhr er weiter. Östlich der Union-Station begann die Numerierung der Straßen wieder bei 1. Mit einem Schlag wechselte die Szene. Die schwarzen Passanten betrachteten uns verwundert, wenn wir bei Rotlicht halten mußten. Ein farbiger Polizist stieg vom Motorrad, kam herüber zu uns, spähte in den Fond, starrte uns an, glaubte es nicht. Er war nur verwundert, wohlgemerkt, nicht feindselig. Es wurde ›Grün‹. Unser Fahrer fuhr schnell, zu schnell. Immer nur durch die Hauptstraßen. Er wollte es hinter sich bringen.
    Ich verdarb ihm das Konzept: Bitte 156 F-Street. Die Adresse hatte ich von der Anwaltskanzlei Bird & Stounton. Bird war auf den Bahamas gewesen, Stounton in New York. Aber eine der Sekretärinnen, jene grazile, schwarze Gazelle, die ich schon aus Roczinskis Film kannte, hatte gewußt, wo die Mailers wohnten. Wir hatten eine ganze Stunde mit ihr geplaudert, dann erst hatte sie das Geheimnis preisgegeben: 156 F-Street. Ich hatte ein Kreuz in den Stadtplan gemacht. Wir waren ganz in der Nähe. F-Street,

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