Die Delegation
durch die zierliche Thailänderin wurde es ein interessantes Gespräch.
McCraight entwickelte zwischen Grapefruitsaft und Kaffee ein Dutzend verrückter Ideen und Theorien – und zwei davon möchte ich zur Diskussion stellen:
Warum sehen die ›cosmos people‹ auf den Fotos der Lehrerin Verena Cumber uns Erdbewohnern relativ ähnlich? Maskerade, meinte McCraight, Verkleidung, Mimikry. Die landen doch nicht auf einem fremden Planeten, ohne ihn ausgekundschaftet zu haben. Die wissen doch, was sie hier erwartet. Vor allem wissen sie, wie die intelligente Rasse, mit der sie zusammentreffen werden, äußerlich beschaffen ist. Und sie passen sich an.
»Nicht, daß ich glaube, es wären in Wahrheit kleine, grüne Männlein. Aber die Vermutung liegt doch nahe, anzunehmen, daß sie sich in unseren Augen sehr fremd, sehr abstrus ausnehmen würden.
Alles aber, was uns unbekannt ist, erschreckt uns zutiefst, besonders fremde Überlegenheit. Da werden archetypische Ängste freigesetzt.
Das Vernünftigste, was diese Wesen tun können, wenn sie Kontakt mit uns erwarten, ist Anpassung. Sie schlüpfen in die Maske von Erdbewohnern. So völlig geglückt scheint ihnen das nicht zu sein, aber der Erfolg gab ihnen doch recht.« Das war die eine Idee. Die andere war ein wenig absurd: Die seltsamen, fahlen Wesen in den Raumschiffen kommen nicht von irgendwoher, sie haben ihren Ursprung hier auf unserer Erde. McCraight lachte, so ganz ernst schien er seine Theorie auch nicht zu nehmen, aber als Gedankenspiel war sie sehr originell:
»Die Zeit verändert sich bei hohen Geschwindigkeiten, sie dehnt sich, denn Zeit ist eine wegabhängige Größe. Das besagt Einsteins Relativitätstheorie, und der Beweis scheint erbracht. Mesonen, die uns als Weltraumstrahlung erreichen, sind sehr kurzlebige Teilchen. Ihr Alter mißt man in Sekundenbruchteilen. Aber durch ihre extrem hohe Geschwindigkeit überleben sie sich sozusagen selbst, und nur so ist es zu erklären, daß sie den verhältnismäßig langen Flug bis zur Erdoberfläche tatsächlich überleben. Durch ihren raschen Flug durch den Raum und durch unsere Atmosphäre altern sie langsamer. Das ist ein experimenteller Beweis für die Zeitdilatation, die Zeitdehnung im Bereich der Lichtgeschwindigkeit. Zwar sind gegenwärtig noch keine Möglichkeiten in Sicht, die es uns erlaubten, mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch den Raum zu reisen, aber der Fall ist immerhin denkbar, auch berechenbar.
Und wie wir wissen, verändert sich dabei die Zeit. Zumindest für Raumschiff und Besatzung.
Da gibt es eine hübsche Zeichnung, die das veranschaulicht. Man muß ein Raum-Zeit-Diagramm in eine weitere Dimension übertragen, und das ergibt eine perspektivische Darstellung.« Und McCraight malte mit Kugelschreiber auf seine Serviette einen Kegel mit der Spitze nach oben und einen weiteren mit der Spitze nach unten. Die Spitzen berührten sich. Das Ganze sah aus wie eine Sanduhr.
»Und hier« – er deutete auf die sich berührenden Spitzen –, »das ist das genau definierte ›jetzt und hier‹. Alle Kanten und Linien des Diagramms stellen gewissermaßen Grenzlinien dar. Grenzen der Zeit. Denn die Zeit ist ja relativ, und es leuchtet ein, wenn wir feststellen, daß ein Ereignis, das uns als vergangen erscheint, einem anderen Beobachter, der sich mit anderer Geschwindigkeit durch den Raum bewegt, als zukünftig erscheinen kann und umgekehrt. Alles, was nun im oberen Kegel liegt, das liegt in unserer absoluten Zukunft – alles im unteren Kegel ist unsere absolute Vergangenheit. Aber alles drumherum, der freie Raum, rings um den Doppelkegel, das müssen wir als ›relative Vergangenheit und Zukunft‹ bezeichnen, dort vermischen sich gewissermaßen die Zeiten vor und nach dem ›hier und jetzt‹. Denken wir uns ein Raumschiff, das morgen startet und übermorgen mit Lichtgeschwindigkeit die Erde wieder passiert – und wir sehen dieses Raumschiff bereits heute. Ist so etwas vorstellbar?«
Nein, das war für mich nicht vorstellbar. »Schade«, meinte McCraight, »aber das Beispiel ist auch zu simpel gewählt. Nehmen wir tausend Jahre, das ist, kosmisch gesehen, nicht viel. Nehmen wir eine Reise durch den Kosmos mit Lichtgeschwindigkeit. Eine Reise, die lange dauert und uns in weite Räume führt, vielleicht einmal rund um unsere Galaxis. Auch das ist im Augenblick nahezu unvorstellbar – aber denkbar. In tausend Jahren also ist der Start. Und wenn das Raumschiff schließlich die Bahn der Erde
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