Die Dilettanten
bevor die Weltfinanzkrise den ganz großen Beweis für die völlige Inkompetenz unserer Regierung erbrachte.
Jetzt erkennen also immer mehr Bürger, dass der Kaiser nackt ist, und schließen daraus, dass sie im Grunde bei den Wahlen keine Wahl haben.
Nun konnten wir ja schon sehen, dass nicht nur die Regierung und ihre Koalitionsmehrheit »Politik machen« können. Anders als in Diktaturen hat das Volk durchaus mehr als nur theoretische Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Politik. Schon heute können die internationalen NGOs – von Amnesty International über Greenpeace bis hin zum Weltsozialforum – nicht mehr ignoriert werden, und auch durch Meinungsumfragen, Demos, Bürgerinitiativen, Volksentscheide und Ähnliches artikulieren die Wähler zuweilen die schlimmste aller Drohungen: Bestimmte Parteien und Politiker bei der Wahl abzustrafen.Und ganz so unwichtig sind Wahlen auch für frustrierte Bürger nun auch wieder nicht – nur durch Beschluss der gewählten Volksvertreter wird schließlich eine Forderung verwirklicht. Festzuhalten bleibt das Banale, das so schwer zu machen scheint: die Demokratie ist nur so gut wie das Volk selbst – denn, wie der frühere Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde schreibt: »Der freiheitlich säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.« 328
Allerdings muss sich für eine wirkliche Ausübung der Volksherrschaft durch das Volk einiges ändern. So stimmen nach einer Umfrage von Infratest dimap Anfang 2009 rund 66 Prozent unserer Mitbürger der Aussage zu: »Es genügt mir als politische Teilhabe, dass ich alle paar Jahre wählen kann.«
Und 29,8 Prozent sind gar »bereit, zum Teil auf demokratische Mitspracherechte zu verzichten, wenn dadurch der Wohlstand gesichert wird«. 329
G. Und nun?
Auch und gerade angesichts einer »notleidenden Demokratie« und im Stadium der Politikerverdrossenheit sollte man das Beste daraus machen und einige »Eckpunkte« für den Kampf gegen Dilettantismus formulieren, ob man sie nun
Plattform
,
Kriterien
oder
Wahlprüfsteine
nennt.
Zuallererst sollte man der Chuzpe und dem Leichtsinn, mit der einige Volksvertreter sogar Milliardenschäden anrichten, einen Riegel vorschieben. Wieso müssen Politiker nicht genauso haften wie Normalbürger auch? Auch ein Arzt begeht ja seine »Kunstfehler« nicht absichtlich – das wäre ja noch schöner! – und nach bestem Wissen. Dennoch wird er zur Rechenschaft gezogen und hat daher eine Haftpflichtversicherung. Wieso gilt dies nicht auch für Politiker? Dann blieben die kostspielige Schlamperei und Stümperei wenigstens nicht am Steuerzahler, sondern an der hochgelobten Privatwirtschaft hängen. Und auch das Strafrecht sollte – vor allem bei Untreue in Millionenhöhe – konsequenter angewandt werden. Warum Schwarzfahrer zu Haftstrafen verurteilt werden, während hochkriminelle Wirtschaftskapitäne frei herumlaufen, bringt selbst besonnene Zeitgenossen in Rage.
Nur auf einer solchen Grundlage könnte man gegen den Schlendrian und die Invasion »überforderter« Politiker glaubhaft vorgehen.
1. Der Kampf gegen die Inkompetenz
Fachliche Kompetenz ist das mindeste, was man erwarten kann: Ein Deutschlehrer muss mindestens lesen und schreiben können. Damit ist er noch lange kein guter Lehrer, aber als Analphabet kann er es gar nicht sein.
Dass aber die Politik quasi Analphabeten als Lehrer verkauft, indem sie ganze Kohorten von Absolventen fachfremder Ausbildungen und in normalen Berufen vollständig unerfahrenen Menschen in höchste Positionen hievt, zeugt von beharrlicher Geringschätzung der Wähler: Nur wer sie für eine durch Unterschichtenmedien verblödete und indoktrinierte Masse hält, wagt es, eine Elektrotechnikerin über Landwirtschaft, einen Müllermeister über Wirtschaftspolitik, einen Englischlehrer über Umweltschutz oder einen Theologen über Verkehrswege sinnieren und sogar mitreden zu lassen. Dass die Politik damit durchkommt, weil ihre Einschätzung des Volkes teilweise zutrifft, ist ein ganz anderer Punkt aus dem Bereich: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.
Andererseits ist nach neoliberaler Logik Fachkompetenz genau genommen gar nicht nötig: Folgt man dem Marktwirtschaftspapst Milton Friedman, so besteht »kompetente« Politik sowieso im Heraushalten der Politik aus fast allen Bereichen und in ihrer Beschränkung auf »law and order«. 330
Zudem ist fachliche Inkompetenz gleichzeitig Folge und Bedingung
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