Die Drachenreiter von Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
Ruatha genau zur gleichen Stunde, da ich von Surianas Tod erfahren hatte. Der Turm auf den Trommlerhöhen der Harfner-Halle erdröhnte unter Capiams Quarantäne-Befehl. Ich maß gerade Gewürze für den Küchenaufseher ab und hatte Mühe, meine Hand so ruhig zu halten, daß ich die kostbaren Zutaten nicht verschüttete. Mit letzter Beherrschung - der Küchenaufseher verstand den Trommel-Kode nicht, und ich wollte abends etwas Eßbares auf dem Tisch sehen - beendete ich die Arbeit, verschloß sorgfältig das Glas, stellte es an seinen gewohnten Platz und sperrte den Vorratsschrank zu. Die Trommelbotschaft erklang ein zweites Mal, als ich die Wohngemächer der Burg erreichte, aber ihr Wortlaut unterschied sich nicht von der ersten. Campen rief aus seinem kleinen Büro nach mir und verlangte eine Erklärung, aber ich achtete nicht darauf.
Zum Glück strömten so viele Menschen zur Harfner-Halle, daß meine unziemliche Hast nicht weiter auffiel. Im Hof wimmelte es von aufgeregten Lehrlingen und Gesellen der Harfner- und Heilergilde. Da beide Zünfte stets auf strenge Disziplin achteten, entstand keine Panik. Aber die Besorgnis war unverkennbar, und Fragen machten die Runde.
Ja, man hatte nicht nur in den Zuchthöfen von Keroon und in der Seeburg Igen nach Meister Capiam verlangt. Telgar benötigte seinen. Es ging das Gerücht um, daß kein Geringerer als der Weyrherr Sh'gall von Fort den Meisterheiler mit seinem Bronzedrachen Kadith zum Fest von Ista und anschließend zu Baron Ratoshigan von Süd-Boll gebracht hatte.
In diesem Moment erschienen Meister Fortine und Meister-Anwärterin Desdra von der Heiler-Halle sowie die Meister Brace und Dunegrine von der Harfner-Halle auf der breiten Freitreppe. Die Gespräche verstummten.
»Ihr macht euch natürlich Sorgen wegen der Trommelbotschaft«, begann Meister Fortine, nachdem er sich nachdrücklich geräuspert hatte. Fortine weiß eine Menge über die Kunst des Heilens, aber ihm fehlt die Wärme und Menschlichkeit von Meisterheiler Capiam. Als er nach einer kleinen Pause mit seiner Rede fortfuhr, hatte seine Stimme einen schrillen Unterton: »Aber ihr wißt sicher, daß Meister Capiam eine solche Notmaßnahme niemals ohne zwingenden Grund befehlen würde. Ich bitte alle Harfner oder Heiler, die eines der beiden Feste besucht haben, sich zu Heilerin Desdra in den Kleinen Saal zu begeben. Ich selbst möchte im Großen Saal zu den Heilern sprechen. Meister Brace…«
Der Angesprochene trat einen Schritt vor, rückte den Gürtel zurecht und räusperte sich ebenfalls. »Da Meister Tirone im Moment unterwegs ist, um den Streit der Bergleute zu schlichten, übernehme ich als Rangältester in dieser Zeit der Krise die Führung der Gilde, bis der Meisterharfner zurückkehrt.«
»… und hoffst, daß Tirone von der Quarantäne oder gar von der Krankheit erwischt wird…«, murmelte ein Lehrling in meiner Nähe. Die anderen brachten ihn durch Rippenstöße zum Schweigen.
Ehe Tirone zum Meisterharfner gewählt wurde, hatte er Baron Tolocamps Kinder unterrichtet, und ich kannte den Mann ziemlich gut. Er hatte seine Fehler, aber er besaß eine volle, einschmeichelnde Stimme, die selbst dem gleichgültigsten, abweisendsten Zuhörer unter die Haut drang, ganz gleich welche Botschaft der Harfner zu verkünden hatte. Wie es hieß, konnten nur Männer mit einem eindringlichen Bariton an die Spitze der Harfner-Gilde gewählt werden. Und selbst Leute, die Tirone nicht mochten, mußten eingestehen, daß er bisher nur ein einziges Mal als Schlichter versagt hatte als er heiser war. Ansonsten gelang es ihm mühelos, die jeweiligen Gegner zur Annahme seiner Entscheidungen zu bewegen.
Ich selbst hatte den Meisterharfner bei seinen Überredungskünsten noch nicht beobachtet, denn selbst er hütete sich, dem Erbbaron von Fort allzu nahe zu treten - trotz der Autonomie seiner Gilde.
Was mir eigenartig erschien, war die Tatsache, daß Meister Brace diese Ankündigung überhaupt machte und daß Desdra und Fortine die Heiler-Halle vertraten. Wo befand sich Meister Capiam? Es sah ihm gar nicht ähnlich, eine unangenehme Aufgabe auf andere abzuschieben. Während sich Harfner und Heiler zu den Versammlungssälen begaben, entfernte ich mich von der Halle - sehr besorgt und keine Spur klüger als zuvor.
Meine Mutter, meine vier Schwestern und mein Vater saßen also auf Ruatha fest. Mit einer gewissen Rachsucht dachte ich, daß es ihnen jetzt vielleicht leid tat, mich nicht mitgenommen zu haben. Ich
Weitere Kostenlose Bücher