Die dunkle Macht des Mondes
lebenslanger Treue ablegen konnten. Es reichte ihr aus, dass sie und Dorian im Central Park die Hände zusammenlegen und sich einander für immer versprechen konnten, während Walter freudestrahlend zusah.
Walter sah so stolz aus wie eine Katze, die gerade einen Haufen Nachkommen geworfen hat. Er gab Gwen einen festen Kuss auf die Wange und klopfte Dorian wie wild den Arm. Als die drei danach im Park spazieren gingen, löcherte er sie mit Fragen.
“Wo wollt ihr zwei jetzt wohnen?”, fragte er. “Bleibt ihr in Gwens Apartment?”
Dorian lächelte Gwen zu, und sie schüttelte den Kopf. “Das ist Teil meines alten Lebens”, sagte sie. “Wir hatten uns überlegt, uns etwas Neues zu suchen, in deiner Nähe, wenn du nichts einzuwenden hast.”
“Einzuwenden!” Walter schnaufte. “Wofür haltet ihr mich?” Er wurde ernst. “An Kohle fehlt es euch nicht, oder?”
“Nein”, sagte Gwen. “Ich habe noch meine Ersparnisse, und Dad hat mir ein bisschen was hinterlassen. Wir glauben, dass Dorian eine Stelle finden kann, in der er nur nachts arbeiten muss. Und ich …” Sie hakte sich bei Dorian ein. “Ich habe gedacht, ich schreibe vielleicht ein Buch über das Leben meines Vaters. Vielleicht auch noch ein wenig freie Aufträge für den
Sentinel
, wenn sie mich noch wollen.”
“Natürlich wollen sie. Wären doch verrückt, wenn nicht, und die müssen ja nicht wissen …” Er streckte seine Brust vor. “Das bleibt unser Geheimnis.”
Gwen zwinkerte Dorian zu. “Genau. Unser Geheimnis.”
Sie und Dorian begleiteten Walter zurück zu seiner Pension und gingen weiter in der nächtlichen Stadt spazieren. Irgendwie gelangten sie ans Flussufer.
“Hier hat alles angefangen”, sagte Gwen mit leiser Stimme. “Schon komisch. Es scheint so lange her, seit du mich aus dem Fluss gezogen hast.”
So lange, dachte Dorian. Nur eine Handvoll Monate, ein Augenzwinkern im langen Leben eines
Strigoi.
Gerade genug Zeit, um neu geboren zu werden.
Neumond war noch zwei Wochen entfernt, aber er hatte keine Angst mehr. Das Monster hatte ihn nicht verlassen, nicht ganz, aber es würde ihn nie mehr unter seine Kontrolle bekommen. Gwen hatte ihn mit ihrer Liebe und ihrer Vergebung geheilt. Sie hatte ihm beigebracht, wie er anfangen konnte, sich selbst zu heilen.
Und wenn auch die Schuld nie ganz aus seinen Gedanken verblassen würde, würde er doch einen Weg finden, sie sich zunutze zu machen, um etwas Gutes in der Welt zu tun. Das hatte Gwen ermöglicht.
“Sieh nur!”, sagte sie und zog an seinem Arm.
Er folgte ihrem Blick und erkannte das Lagerhaus, in das er sie gebracht hatte, damit sie sich von ihrem Bad im East River erholen konnte. Es war kaum wiederzuerkennen. Jemand hatte es frisch angestrichen, eine neue Tür eingebaut und ein neues Schild angebracht, auf dem stand: Fortunata & Sons, Shipping Company.
“Ein gutes Zeichen, meinst du nicht auch?”, fragte Gwen.
Dorian drehte sich zu ihr um und küsste sie zärtlich auf den Mund. “Ein sehr gutes Zeichen”, sagte er.
Und er wusste, dass sein Leben gerade erst anfing.
– ENDE –
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